Das Vermaechtnis des Caravaggio
fort:
„Es ging um tausend Scudi.“
Überrascht sah Nerina Onorio an.
„Und Michele hat mitgewettet?“
Schuldbewusst nickte Onorio. Woher
nahm Michele so viel Geld. Tausend Scudi? Das war mehr als er für jedes seiner
Bilder erhalten hatte. Wieder begannen ihre Hände zu zittern, als sie sich an
ihre Arbeit zwang.
„Es ging um den Sieg. Die Gegner
spielten zumindest so stark wie wir, und der letzte Ball musste entscheiden.
Jedenfalls hatte dieser Ranuccio Tomassoni seinen Ball verfehlt. Michele
beanstandete, dass er den Ball zweimal berührt hätte. Ranuccio bestritt dies
...“
„... Michele verlor die Kontrolle,
und sie haben sich geprügelt und schließlich duelliert!“, ergänzte Nerina die Erzählung
Onorios ungeduldig.
„Ja, beinahe, Nerina. Plötzlich
hatte dieser Ranuccio eine Waffe in der Hand und bedrohte Michele. Hauptmann
Antonio Bolognese, der in unserer Mannschaft mitgespielt hatte, warf sich
dazwischen und wurde ...“, Onorio zögerte und schluckte, bis Nerina auffuhr und
ihn anschrie:
„Jetzt erzähl endlich Kerl, oder muss
ich bis morgen warten?“
Vor ihrem Zorn wichen die Männer
bis zur Tür zurück. Nur Onorio blieb stehen, wo er war und bohrte seinen Schuh
in den Dielenboden.
„... Antonio wurde dabei schwer
verletzt. Er starb in Micheles Arm. Und dann hat Michele durchgedreht. Mit
bloßen Fäusten ist er auf Ranuccio losgegangen und hat auf ihn eingeprügelt.
Natürlich hat sich Ranuccio gewehrt und ihm so den Hieb auf den Kopf verpasst.“
„Er hat sich auf ihn gestürzt,
obwohl er keine Waffe bei sich hatte?“
„Ich weiß es nicht. Ranuccios
Mitstreiter sind ihm beigesprungen, und plötzlich hat dieser Ranuccio Tomassoni
geröchelt und ist zusammengebrochen. Ein Stich mitten ins Herz.“
Schweigen breitete sich aus, in dem
nur Micheles unregelmäßiger Atem und Neros Winseln zu hören waren. Jeder
Luftzug rasselte.
Nero. Natürlich, er hätte doch
seinem Herrn helfen müssen.
„Und wo war Nero? Nero muss ihn
doch beschützt haben?“
Wieder sah Onorio zu Boden.
„Wir hatten ihn angebunden, weil er
sonst das Ballspiel gestört hätte!“
Mit der Hand befühlte Nerina ihre
Stirn. Waren sie denn alle wahnsinnig geworden? Nero anbinden, statt ihn frei
herumlaufen zu lassen, vor allem dann, wenn Michele ohne Waffen unterwegs war.
Nerina drehte sich um ihre eigene Achse, suchte das Zimmer ab und fand
schließlich, wonach sie suchte. An einem Nagel an der Tür hingen Micheles
Waffen, sofern sie von der Witwe Bruna nicht versteigert worden waren, ein
Degen und ein kurzer Runddolch.
„Es war ein Herzstich. Ranuccio war
sofort tot.“
Ihr brannten die Augen, der Kopf
brummte und in den Ohren sauste ihr Blut rauschend und pulsend. Sie konnte
nicht fassen, was ihr Onorio eben erzählt hatte. Wie konnte Michele einen
Menschen töten, wenn doch seine Waffen an der Tür hingen? Mit ausgestreckter
Hand wies sie auf die Waffen.
„Sie hängen noch an der Tür!“ Onorio
drehte sich vor Verlegenheit um, was Nerina nur in einem Tränenschleier
erkennen konnte. „Wie soll das gehen?“
„Er hat eine andere Waffe benutzt.
Genau gesehen hat es keiner, aber Ranuccio brach zusammen, als Michele auf ihn
eindrosch und von den anderen davon abgehalten wurde. Daran besteht kein
Zweifel.“
Nerina schluckte. Michele ein
Mörder. Diesmal würde kein Gericht Gnade walten lassen. Diesmal würden sie
seiner Waffennarrheit überdrüssig sein, und niemand würde ihm glauben, dass er
keinen Dolch, keinen Degen getragen hatte.
„Michele kann keiner Fliegen etwas
zuleide tun!“, verteidigte sie Michele, wusste aber, dass all seine sogenannten
Freunde, die jetzt wie mit hängenden Köpfen und wie belämmert im Zimmer
herumstanden, innerlich lachten. Niemand würde Michele glauben, wenn er
versicherte, den Dolch nicht geführt zu haben. Jeder kannte seine Vorliebe für
Handwaffen im Herrschaftsbereich des Papstes, in dem keinerlei Waffen getragen
werden durften. Zu oft schon war er in den letzten Jahren in Händel und Duelle
verwickelt gewesen und hatte sich diesbezüglich mit dem Hauptmann der Vatikan-
und Stadtwachen angelegt.
Nerina ging in die Hocke und griff
unter den Tisch. Sie fühlte Neros Fell, fuhr seinen Rücken entlang, strich ihm
über den Kopf. Der Hund leckte ihre blutigen Hände sauber und legte dann den
Kopf auf seine Pfoten. Dieser Tölpel von Michele hatte eines Ballspiels wegen
sein Leben verpfuscht, hatte einer Wette wegen seinen guten Namen weggeworfen,
hatte
Weitere Kostenlose Bücher