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Das Vermaechtnis des Caravaggio

Das Vermaechtnis des Caravaggio

Titel: Das Vermaechtnis des Caravaggio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Dempf
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seinem Aufstieg unter die besten Maler Roms ein theatralisches und
unrühmliches Ende gesetzt. Michelangelo Merisi, dachte sie, und der Schmerz
darüber fuhr ihr in den Bauch, sodass sie einen Moment lang glaubte, ihre
nächsten Monatsblutungen kündigten sich an, du bist in den Augen der Menschen
dieser Zeit zum Mörder geworden.
    Plötzlich fuhr sie auf und
scheuchte die Männerbrut aus dem Raum, die ohnehin nur unnütz herumstand und Löcher
in die Luft gaffte. Selbst Nero erhob sich und begann leise zu kläffen, so als
wolle er seinen Herrn nicht aufwecken.
    „Raus, raus hier, verschwindet,
elendes Volk. Euch hat er es zu verdanken, Euch Gesindel, raus, fort, weg!“, schrie
sie, ohne auf Michele zu achten. Allein sein wollte sie, wollte allein dabei
zusehen, wie der Mann verblutete, der als einziger in Rom ihr als Frau eine
Chance gegeben hatte, ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Bis dahin hatte sie nur
gelernt, wenn sie zufällig einem Kulissenmaler zusehen konnte, den ihr Vater
beschäftigt hatte. Michele hatte ihr Talent erkannt, sie zu sich genommen, sie
ausgebildet, hatte sie die Wissenschaft der Farben gelehrt, hatte ihr seine
Geheimnisse verraten und ihre Entwürfe korrigiert und verbessert. Unter seiner
Anleitung war sie zur Künstlerin herangewachsen – und jetzt lag er mehr tot als
lebendig vor ihr, und sie befürchtete das Schlimmste.
    Nerina bemerkte noch, wie die Tür
von außen geschlossen wurde, als Onorio als letzter noch einmal öffnete und
meinte:
    „Nerina, wenn es bekannt wird, dass
Michele jemanden getötet hat, und lange kann es nicht dauern, bis alle Welt
davon erfährt, dann werden sie ihn verhaften. Du solltest fliehen, mit ihm oder
ohne ihn.“
    Willenlos sank Nerina an einem der
Tischbeine entlang zu Boden. In ihr summten die Gedanken. Mit müden Bewegungen
schleppte sich Nero zu ihr, legte seinen Kopf in ihren Schoß, schloss die
Augen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass Michele diesen Ranuccio getötet
hatte. Vielleicht hatte ein anderer die Situation ausgenutzt, vielleicht hatte
jemand zugestoßen, der in Ranuccios Partei mitgekämpft hatte und Michele
belasten wollte. Je mehr sie darüber nachdachte, desto abenteuerlicher erschien
ihr diese Idee, bis sie selbst den Kopf schüttelte über dieses Hirngespinst und
zugeben musste, dass ihre Gedanken alle unwahrscheinlich klangen und es
vermutlich auch waren. Das Schlimmste dabei war, dass sie sich ebenfalls
vorstellen konnte, wie Michele eine kleine Stichwaffe im Wams verborgen und mit
dieser zugestochen hatte.
23.
    Jetzt zappelte Caravaggio in seinen
Fängen. Der römische Gerichtshof hatte schnell gehandelt, als die Nachricht von
Michelangelo Merisis Duellmord bekannt geworden war. Lachen musste Scipione
Borghese, als er an den Mord dachte und an die Verurteilung des Malers. Besser
konnte der Zufall nicht in seine Hand spielen. Jetzt musste er nur noch mit
Caravaggio sprechen, bevor ihn die Häscher holten und ins Gefängnis warfen.
Schließlich nützte er ihm nichts hinter den Mauern des Tor di Nona oder im
Gefängnis des Senats. Er, Scipione Borghese, hatte ganz andere Pläne mit ihm
und für deren Verwirklichung musste Caravaggio frei sein, persönlich frei – und
abhängig von seinem Willen.
    Fröhlich beschwingt überquerte
Scipione Borghese die Piazza Colonna. Sein Triumph würde so vollständig sein
wie der Kaiser Marc Aurels über die Germanen an der Donau, der auf der Colonna
Antonina, der Marc-Aurel-Säule, eingemeißelt prangte. Blinzelnd blickte er
hinauf zum heiligen Paulus, der die Säule bekrönte, und fühlte den Furor des
Überlegenen.
    Das Haus des Rechtsgelehrten Andrea
Ruffetti, in dem sich Caravaggio einquartiert hatte, war nicht leicht zu finden
gewesen, aber die Nachforschungen Pater Leonardus’ in den Trattorien und
Weinschenken der Stadt hatten bald Erfolg gezeitigt. Jetzt eilte er selbst mit
leichtem Schritt auf das Gebäude zu und wunderte sich nur, dass mitten am Tag
die Läden zum Atelier offen standen. Eine Ahnung beschlich ihn, ob er nicht
doch bereits zu spät gekommen war, ob der Magistrat den Maler nicht bereits
hatte abholen lassen. Plötzlich schwitzte er unter seinem Gewand in der Sonne,
die bis auf den Grund der Häuserschlucht hinunter brannte. Mit Gewalt stieß er
die Tür zum Aufgang auf und jagte in langen Schritten die Treppen hinauf. Völlig
außer Atem stand er vor der offenen Tür des Ateliers. Nur kurze Zeit ließ er
sich, um auszuschnaufen, dann zog Scipione Borghese den Hut vom

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