Das Vermaechtnis des Caravaggio
geheucheltem Erstaunen beugte
sich Enrico vor.
„Ihr? Tatsächlich?“
„Halb verhungert durfte er Wohnung
nehmen in meinem Haus. Ich habe eines seiner Bilder gesehen und sofort erkannt,
dass es sich um einen wahren Künstler, um einen wirklich großen unserer Zeit
handelt. Nun ja, er hat es mir nicht gedankt.“
Dieses Selbstlob, das gepaart war
mit einem scharfen Blick für das Können Caravaggios, wurde Enrico beinahe zu viel.
D’Arpino hatte es vermutlich nötig. Seine Kunst stand nicht mehr in der Gunst
der Kardinäle. Sie hatten sich von seinem überladenen, eher altmodisch
gefälligen Stil abgewandt.
„Ich hieß ihn Blumenbilder und Stillleben
malen. Und er brachte es zu einer gewissen Fertigkeit unter meiner Anleitung, sodass
ihm Sammler die Bilder aus den Händen rissen. Dabei entfernte er sich immer
weiter von meiner Kunstauffassung. Habt Ihr je eine seiner Fruchtschalen gesehen?“
Enrico nickte und warf nur einen
kurzen Satz ein. Dem Wortschwall des Cavaliere brauchte er nur geringfügig
Nahrung zu geben.
„Um ein solches Bild geht es, Cavaliere.
Ist es Euch feil?“
Gerade wegen des unziemlichen
Wohnorts in der Nähe des Tibers, gerade wegen der dürftigen Möblierung, die
trotzdem noch einen Rest an Geschmack verriet, konnte der Cavaliere d’Arpino
nicht verleugnen, dass er knapp bei Kasse war und sich deshalb von einigen
Gemälden trennen wollte. Und doch fiel es Enrico auf, dass er gerade damit den
verletzlichsten Punkt des Cavaliere getroffen hatte.
„Wenn Ihr ein Stillleben
Caravaggios seht“, versuchte er auf die Ebene der Kunstbeurteilung
auszuweichen, „betrachtet die Äpfel, mustert die Birnen. Die Blätter der
Früchte sind löchrig und welk, die Äpfel angeschlagen und wurmig. Neben faulen
Stellen auf den Früchten malt er auch Pilzflecken, so genau und real, als müsse
man sie ausschneiden. Eine ganz eigene Dynamik erfüllt diese Bilder. Sie sind
eine Vergegenwärtigung alles Vergänglichen.“
„Das klingt wie ein Lob!“, warf
Enrico erstaunt ein. So viel Achtung vor der künstlerischen Leistung seines
Feindes hatte er nicht erwartet. Obwohl Enrico wusste, dass d’Arpino alle
sogenannten Entwürfe und Vorzeichnungen gesammelt hatte, ohne einen Scudi dafür
zu bezahlen. Ihm schien, als wisse er sehr genau um Caravaggios Qualitäten und
beneide seine Art, die Dinge zu zeigen, weil er sie jetzt, da sie ein anderer
gemalt hatte, so nicht mehr darstellen konnte, ohne als Plagiator zu gelten.
„Ist es das? Nun. In seinen Werken
kann man die Natur mit Händen greifen. Vor ihm hat das keiner gewagt. Was wäre
ich für ein Künstler, was für ein Mensch, wenn ich dies nicht anerkennen
würde?“
Die Scheite des kleinen Kaminfeuers
knackten, und der Schein beleuchtete den Cavaliere, als würde er ihn mit einer
Aureole umgeben und so zu einem Heiligen stilisieren. Enrico wusste es besser.
Vermutlich rechnete d’Arpino damit, dass er bei einem Lob Caravaggios als
Sachverständiger umso glaubhafter erschien und schließlich eine ordentliche
Summe Scudi für ihn dabei abfalle.
„Warum blieb Caravaggio nicht bei
Euch?“
D’Arpino rückte sich im Sessel
zurecht, wechselte das Bein. Seine Mundwinkel zuckten.
„Interessiert Ihr Euch für
Caravaggio oder für eines seiner Bilder?“
Die Frage ließ kurzzeitig Panik in
Enrico aufsteigen. Natürlich stand hinter seinem Besuch kein wirkliches
Interesse an einem Bild. Wenn d’Arpino zu misstrauisch wurde, würde er nichts
weiter erfahren. Er musste sich ein wenig zügeln.
„Für beides. Ist es nicht so, dass
sich ein Bild nur dann erschließt, wenn wir wissen, wer es gemalt hat und
welche Gedanken der Maler in das Bild hineinwob?“ Wieder betrachtete d’Arpino
ihn kritisch, doch Enrico setzte sofort nach: „Euer Einfluss auf Caravaggio ist
unverkennbar! Hat Caravaggio nicht Ideen Eures Freskos von San Lorenzo in
Damaso aufgenommen?“
D’Arpino lächelte gequält, schloss
kurz die Augen, als müsse er sich überlegen, was er antworten wolle, und sah
ihn dann durchdringend und forschend an.
„Natürlich. Und noch von einigen
weiteren. Aber hätte ich ihn nicht auf die Idee der Stillleben gebracht, wäre
er nie mit Kardinal Del Monte zusammengetroffen.“
Verlegen räusperte sich Enrico, der
das Schwadronieren d’Arpinos langsam unerträglich fand.
„Ich dachte, Messer d’Arpino,
Caravaggio hätte nur ein einziges eigenständiges Stillleben mit Früchten
gemalt. Es befindet sich in Eurem Besitz ...“
„... im Besitz
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