Das Vermaechtnis des Caravaggio
besucht?“
Der Cavaliere d’Arpino zuckte mit
den Schultern.
„Mein Bruder und ich haben ihn
nicht besucht. Wir waren miteinander fertig. Danach hat er sein Vagabundenleben
wieder aufgenommen, mit dem Unterschied, dass wir ihm den Weg nach oben geebnet
hatten. Ein undankbarer Kerl.“
Ich wäre auch nicht erfreut gewesen,
wenn mich meine Hausherren, bei denen ich Unterschlupf gefunden hatte, nicht
besucht hätten, dachte sich Enrico, der in den Augen d’Arpinos forschte.
„Wer griff ihn damals an?“
Schwer seufzte Cavaliere d’Arpino
auf.
„Mir scheint, Ihr seid mehr am
Schicksal Caravaggios interessiert, als an seinen Bildern. Ich sagte doch, ich
kannte ihn nicht. Aber er konnte gut reiten, beherrschte sein Pferd ausgezeichnet,
denn der Angriff auf Caravaggio geschah aus heiterem Himmel und, wie ich
glaube, gezielt. Ähnliches habe ich nur einmal gesehen, bei den
Reitervorführungen der Ritterorden.“
„So glaubt Ihr, der Fremde könnte
...“
„... ein Soldat gewesen sein oder
zumindest ein geübter Kämpfer? Ja.“
Enrico beobachtete, wie der Cavaliere
d’Arpino sich mit beiden Armen aus dem Sessel stemmte. Offenbar schien er das
Gespräch beenden zu wollen. Ganz durchringen konnte er sich allerdings nicht dazu,
da er nur durchs Zimmer ging und nervös die Hände am Kaminfeuer wärmte.
„Warum interessiert Euch das alles?
Seid Ihr von der päpstlichen Kommission für Inquisition?“
Ungläubig sah Enrico auf den Rücken
des Cavaliere. Ihm entging das unmerkliche Zittern nicht, das nicht von der
Kälte kommen konnte, schließlich wärmte das Kaminfeuer den Raum ausreichend.
Verbarg d’Arpino etwas? Und wenn ja, was?
Er zuckte mit den Schultern.
Schließlich konnte es ihm egal sein. Einzig für Ferdinando Gonzaga mochte es
von einem gewissen Interesse sein, wovor der Cavaliere sich ängstigte. Er
konnte ihm ja bei einem späteren Besuch noch einmal auf den Zahn fühlen. Jetzt
wollte er eine andere Frage beantwortet haben.
„Nein, Messer d’Arpino. Wie lange
blieb Caravaggio im Krankenhaus?“
Der Cavaliere zuckte mit den
Schultern.
„Ein halbes Jahr. Danach zog er bei
mir aus. Ich bin ihm erst wieder bei Monsignor Fantin Petrignani begegnet,
einem Kleriker der Apostolischen Kammer und Kunstkenner ohne Geld, wie es in
Rom viele gibt. Sicherlich kam er über ihn zu den Gebrüdern Orsi.“
Enrico nickte. Natürlich. Prospero
Orsi, genannt Prosperino delle Grottesche, der erfolgreichste Groteskenmaler
Roms, und der Dichter Lelio Orsi hatten dem jungen Maler Zugang zur Welt
vornehmer Kundschaft eröffnet. Sie bewegten sich in den Kreisen reicher
Adeliger und Kardinäle, hatten Verbindungen, Gönner, Mäzene, die immer auf der
Suche nach dem Außergewöhnlichen, dem Neuen, dem Besonderen waren.
„Zurück zu diesem merkwürdigen
Vorfall mit dem Pferd, Cavaliere d’Arpino. Fiel Euch etwas auf an dem Mann?
Seine Haare? Seine Kleidung? Ein Ring, ein Medaillon?“
Jetzt drehte sich der Maler um. Vor
Enrico stand ein elendes Häufchen Mensch, dem es nur mühsam gelang, ein Zittern
zu unterdrücken.
„Nein“, flüsterte er und versuchte
seine Unterlippe zu beherrschen. „Oder doch. Er trug einen Ring am Daumen.
Einen goldenen Ring.“ Er trat einen Schritt nach vorne. „Seid Ihr von der
päpstlichen Finanzkammer? Von der städtischen Miliz? Vielleicht wisst Ihr noch
nicht, dass ich keines der Bilder mehr besitze, die von Caravaggio stammen? Ein
Liebhaber der Malerei Caravaggios ist Euch zuvorgekommen. Kardinal Del Monte
hat sie aufgekauft, allesamt. Vor einigen Tagen. Schließlich leitet er die
Bauhütte des Petersdomes. Er meinte, die Gemälde seien allemal ausreichend, um
das eine oder andere Zimmer mit ihnen zu schmücken. Nein, er sagte eigentlich
zu beleuchten. Als wären es Kerzen.“
Enrico stand auf und lächelte
bedauernd. Del Monte war ihm zuvorgekommen, ein Umstand, der ihn nachdenklich
stimmte. Zu viele begehrten plötzlich Caravaggios Werke.
8.
„Jetzt hast du den Bildaufbau doch
geändert! Treibt dich die Angst, Michele?“
Nerina betrat eben das Atelier,
eine Flechttasche mit Gemüse und Fisch umgehängt, und wunderte sich. Der kalte,
fischige Geruch der Brasse vermischte sich mit dem feuchten von Leinöl und
Eiweiß und dem trockenen der Pigmente und Erden, die im Mörser aufbereitet
worden waren.
Vier weitere Künstler saßen im
Halbkreis hinter Michele und versuchten die Linien und Formen zu studieren, die
ihr Meister mit spitzem Pinselhals in die Kreide gedrückt
Weitere Kostenlose Bücher