Das Vermaechtnis des Caravaggio
die Arme
greift, der schützend einen Arm um dich legt, wenn die Inquisition ihre
Feuerhände nach dir ausstreckt.“
Michele lachte ausgelassen, ohne
sich um die beiden Maler zu kümmern, die mit verständnislosem Gesichtsausdruck
zur Wand zurückgewichen waren und jetzt ihre Malutensilien in Sicherheit
brachten.
„Herr, Euer neuer Stil ist eine
Offenbarung!“, wagte einer von ihnen zu flüstern und sofort nahm Michele diesen
Satz auf.
„Da hörst du es, Nerina! Sie
begreifen, dass ich meine Bilder in einer anderen Sprache sprechen lasse.
Ungewohnt und fremdartig, aber nicht abstoßend. Hat nicht ein neues Zeitalter
begonnen? Hat nicht der Protestantismus die Werte des Religiösen verkehrt und
die Kirche in Rom gezwungen, ihre Gläubigen wieder dort abzuholen, wo sie diese
vor zweihundert Jahren stehen ließ?“
Mit einem Seufzer stellte Nerina
ihre Tasche ab und begann Fisch und Gemüse auszupacken.
„Michele, bist du unter die
Theologen gegangen? Überlass solch feinsinnige Dispute den Jesuiten. Du sollst
malen, damit am Ende Wein und Brot auf dem Tisch stehen.“
Sie wusste, dass sie ihn damit nur
anstachelte. Aber vor den beiden jungen Malern durfte er seine Gedanken nicht
zur Gänze ausbreiten. Kopf und Kragen würde er damit riskieren, vor allem
deshalb, weil sie selbst nicht einschätzen konnte, was der Besuch des
Johanniters in ihrem Atelier wirklich zu bedeuten hatte. Hingen die
Inquisitoren und ihre Zuträger bereits an Micheles Fersen, und suchten sie nur
eine Gelegenheit, um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen?
„Was packst du aus, während ich
mich um die Weiterführung meiner Kunst bemühe?“, blaffte er sie an.
Nerina erhob sich. Mit Spott in der
Stimme meinte sie nur:
„Ich kümmere mich um dein
Wohlbefinden. Wer nichts im Magen hat, hat bald nichts mehr im Kopf. Eine
einfache Theologie, Michele. Und immer richtig.“
Michele senkte den Blick. Seine
Stirn umwölkte sich. Mit einer Handbewegung scheuchte er die beiden Maler
hinaus, die in aller Hast ihre Unterlagen aufnahmen und rasch verschwanden.
„Man kann nur denen die Wahrheit
predigen, die sich für die Wahrheit öffnen“, murmelte er.
Dann wandte er sich zu Nerina um.
„Wir sollten feiern!“
„Feiern?“ Ungläubig betrachtete
Nerina Michele. „Warum feiern?“
Aus dem Ärmel seines Hemdes zog er
ein Schreiben heraus, das er auffaltete. Er reichte es Nerina hinüber.
„Vom spanischen Vizekönig“, setzte
er hinzu, „dem Conde de Benavente!“
Nerina riss ihm das Schreiben
beinahe aus der Hand. Ihr Herz schlug. Was wollte der Vizekönig von Neapel von
Michele? War die Kunde von seiner Verstrickung in den Tod des Ranuccio
Tomassoni bereits bis zu seinen Ohren vorgedrungen? Rasch überflog sie die
Zeilen und seufzte erleichtert.
„Willst du der Einladung
nachkommen, Michele?“
„Natürlich werden wir sie
annehmen.“
„Wir? Nein. Ich bleibe hier.“
„Von einem besonderen Auftrag hat
der Bote gestottert. Seit Längerem beschäftigt den Vizekönig das Martyrium des
Heiligen Andreas, und ich soll es ihm malen. Neu, anders, bewegender als alles Bisherige.“
Nerina setzte sich auf den einzigen,
roh gezimmerten Hocker im Raum. Stumm überflog sie die wenigen Zeilen noch
einmal, die nur besagten, dass Michele um die Abendstunden herum von einer
Sänfte abgeholt und in den Palast gebracht werde.
„Was willst du anziehen?“
Verwundert öffnete Michele die
Arme.
„Bin ich nicht bestens gekleidet?“
Das stimmte und stimmte wiederum
nicht. Auf den Gütern der Colonna hatte ihm die Familie eine ganz neue
Garderobe anfertigen lassen und geschenkt. Aber das war Monate und einige
Meilen Flucht her. Seitdem trug Michele Hemd, Hose, Wams, Schuhe beinahe ohne
sie auszuziehen, geschweige denn zu waschen, und die Zeit, in der er in all den
Kleidungsstücken geschlafen hatte, gefahren oder gelaufen war, hatte deutliche
Spuren hinterlassen. Hier fehlte ein Knopf, dort war eine Naht geplatzt, an
anderer Stelle franste der Stoff aus und das Futter sah heraus. Michele machte
eher den Eindruck eines verarmten, heruntergekommenen adeligen Herumtreibers.
Alles in allem galt in Nerinas Augen sein Aufzug keineswegs als geeignet für
eine Audienz beim spanischen Vizekönig.
„Du siehst aus, wie der Fürst der
Bettler“, fasste sie ihren Eindruck zusammen, „nicht wie der bedeutendste Maler
Italiens!“
„Immerhin ein Fürst!“, lachte
Michele und drehte sich mit ausgebreiteten Armen durch den Raum.
9.
„Ein Schiff
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