Das Vermaechtnis des Caravaggio
am Körper entlang
strichen, sie berührten, abtasteten und nach ihrem Geldsack griffen, der
zwischen ihren Brüsten steckte, ihr Amulett berührten, es aber nicht an sich
nahmen. Das konnten nicht die Hände eines Pozzaro sein, begriff sie, dieser
Mensch machte nur gemeinsame Sache mit den Räubern aus Neapels dunkler Tiefe.
Doch bevor sie reagieren konnte, hielt der Fremde den Beutel in der Hand, riss
ihn ihr mit einem Ruck vom Hals und richtete sich auf.
Nero bellte wütend, wurde aber von
einem der Schatten auf Distanz gehalten. Im spärlichen Licht der Sterne blitzte
ein Messer.
Plötzlich gelang es Nero, sich in
den Arm des Räubers zu verbeißen. Unter heftigem Knurren zerfleischte er den
Unterarm des Pozzaro. Kaum war der Gegner in die Knie gebrochen, sprang Nero
zum nächsten und warf ihn ebenfalls um. Ein Biss in die Schulter genügte, und Nero
stand neben Nerina und versuchte, sie zu verteidigen. Doch der Fremde mit den
weichen Händen hatte sich längst in der Dunkelheit verloren.
Nerina hörte Michele keuchen. Er
hatte den Degen gezogen und schlug wie wild um sich. Natürlich hatte er nicht
die geringste Möglichkeit, sich gegen vier oder fünf Angreifer zu wehren,
allein der Wein im Blut verhinderte das, aber Nerina bewunderte seinen Mut.
Unerschütterlich, wenn auch etwas plump, hieb er durch die Luft und schien den
einen oder anderen der Angreifer tatsächlich zu verletzen. Der lange Dolch
eines der Angreifer hätte ihn sicherlich getroffen, wenn nicht im selben
Augenblick Nero auf den Rücken des Mannes gesprungen wäre und ihn
niedergerissen hätte. In seiner Not stieß der Pozzaro einen gellen Pfiff aus,
und sofort ließen alle von ihnen ab. Wie das Rascheln von Schritten in dürrem
Laub hörte es sich an, als die Pozzari sich zurückzogen. Der Spuk verschwand
ebenso rasch, wie er gekommen war. Ein weiterer Pfiff, ein Knurren, und die
Pozzari stiegen samt ihrer Verletzten in den Brunnenschacht hinab. Der letzte
reckte, bevor er sich über den Brunnenrand gleiten ließ, die Faust und
präsentierte einen Beutel. Sofort verstand Nerina: Die letzten Ersparnisse des
Auftrags für den Vizekönig lagen darin. Deshalb hatte sie Michele aus der
Säuferhöhle geholt. Ihr letztes Geld in den Händen dieser Räuber. Trotz ihrer
Angst stiegen Nerina Tränen in die Augen. Sie schickte dem Pozzaro einen Fluch hinterher,
der prompt beantwortet wurde.
„Ciao, Caravaggio!“
Das jedenfalls glaubte sie zu
hören.
Woher wusste die Gestalt, wer hier
überfallen worden war? Wer war dieser Mensch mit den weichen Fingern?
17.
„Wein! Wo ist der Wein?“
Der Schrei drang in Nerina wie ein
Tropfen Wasser in Watte. Nur langsam durchfeuchtete er ihr Bewusstsein und nässte
die Gedanken. Matt lag sie in ihrem Bett und erst ein weiterer Ruf nach Wein
holte sie ganz in den Tag. Unablässig wurde gegen ihre Tür gehämmert.
„Nerina! So wach auf. Wo ist der
Wein?“
Wie mit Blei beschwert lagen ihre
Glieder auf der Pritsche und sie wälzte sich umständlich herunter. Dann
schleppte sie sich zur Tür. Es musste noch früh am Tag sein, denn auf dem Meer,
das sie durch das Fenster hindurch sehen konnte, lagen Schatten. Die Sonne
hatte also die Hügel hinter der Stadt noch nicht überstiegen.
„Was willst du, Michele?“
Vorsichtig öffnete Nerina die Tür.
Michele stand vor ihr mit einem unsteten Blick, die Hände ineinander
verkrampft.
„Wein, Nerina!“
Hatte seine Stimme eben noch
fordernd und hart geklungen, verlegte er sich jetzt aufs Bitten und Flehen. Er
tat ihr leid. Seine ungewaschenen, wirr in die Stirn fallenden Haare, die
zerrissene Kleidung, die ihn nicht von den Bassi in ihrer Gasse unterschied,
die schmutzig-braunen Hände, all das trug nicht dazu bei, dahinter den genialen
Künstler zu sehen, sondern eher einen Säufer und Bettler.
„Erinnerst du dich an letzte
Nacht?“
Verständnislos sah er Nerina an.
„Die Pozzari? Den Überfall?“
Michele schüttelte den Kopf.
„Sie haben unser letztes Geld
gestohlen. Nichts ist mehr da. Den Rest hast du selbst zuvor vertrunken,
Michele.“
Sie erzählte ihm von seinem
nächtlichen Streifzug ins Hafenviertel, vom Raubzug der Brunnenmenschen, davon dass
sie nur mit knapper Not und der Hilfe Neros dem Tod entkommen waren. Einer
Eingebung folgend, berichtete sie auch von den Händen, die sie abgetastet
hatten, von den ungewöhnlich weichen Fingern, obwohl sie Schwielen erwartet
hatte.
Eben noch hatte Michele sie
angestarrt, jetzt ging sein Blick
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