Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
Sees gefunden. Er schien zu schlafen. Dann haben wir ihn nach Sichem, seinem Geburtsort, gebracht. Dort liegt er nun. Und dort ist auch dein … dein Grab.«
    »Begleitest du mich zu ihm?«
    »Sicher, mein Bruder. Doch nun komm, du hast noch einen Bruder, erinnerst du dich nicht mehr?«
    »Und ob! Er ist noch übermütiger als du«, lachte Jesus. »Der kleine Jakob.«
    »Mittlerweile ist er der Größte von uns, und er ähnelt ganz unserem Vater.«
    Yuehan war abseits stehen geblieben und hatte neugierig beobachtet, wie sein Vater und der junge Mann sich umarmten.
    »Und …«, fragte Judas und zeigte auf den Jüngling, »wer ist das?«
    »Dein Neffe«, antwortete Jesus lächelnd, »und ich glaube, es wird ihn freuen zu erfahren, dass er einen Onkel hat.«
    »Dann hast du also doch geheiratet!«
    Jesus antwortete ihm nicht, und Judas entschied, dass der Moment gekommen war, Mutter und Sohn wieder zu vereinen.
    Als Maria verstand, wen sie da vor sich hatte, stieß sie einen Schrei aus, der in der ganzen Straße zu hören war. Ein Unglück befürchtend stürzten die Nachbarn herbei und wurden Zeugen des kleinen Wunders. Die Nachricht von Jesu Heimkehr verbreitete sich in Windeseile bei allen Tischlern in ganz Gamla, noch bevor der Schabbat begonnen hatte. Jesus entzog sich weder den Küssen noch den tausend Fragen seiner Mutter, und er stand ihr Rede und Antwort, bis das Sternzeichen des Orion am östlichen Teil des Golan aufging. Als Maria endlich von Jesus abließ, wandte sie sich Yuehan zu. Er bemühte sich redlich, den Wissensdurst seiner Großmutter zu stillen, erwähnte seine eigene Mutter jedoch mit keinem Wort.
    »Du bist wunderschön, Yuehan, auch wenn du einen unaussprechlichen Namen trägst«, sagte Maria. »Hier wirst du Jochanan oder Johannes heißen – das kannst du dir aussuchen.«
    Gequält lächelte der Jüngling, denn eigentlich gefiel ihm sein eigener Name Yuehan besser.
    Maria nahm keine Notiz von Yuehans Unbehagen. »Weißt du was?«, plapperte Maria strahlend weiter, »du bist noch schöner als dein Vater. Und du hast die gleichen feurigen Augen wie er. Bleib bei mir, du wunderbarer Junge; ich verspreche dir, ich werde dich nicht langweilen. Und wenn doch, dann bring mich einfach zum Schweigen, geh auf den Markt und zeige dich den hübschen Mädchen. Ich sehe, dass du schon seit einiger Zeit das Spielen aufgegeben hast und reif für die Bar Mitzwa wärst.«
    Jesus unterbrach sie. Auch sie hatte also die Reife Yuehans bemerkt – alle hatten es bemerkt, nur er nicht. Gaya hätte jetzt stolz gelächelt.
    »Ich würde gerne ein Bad nehmen, Mutter, wenn es möglich ist.«
    Erstaunt sahen ihn Maria und auch Jakob und Judas an, während Yuehan nickte.
    »Ich habe mich seit Wochen nicht mehr gründlich reinigen können, und nichts täte mir jetzt besser.«
    »Das Schofar ist schon dreimal erklungen; der Schabbat ist angebrochen«, sagte Jakob entschuldigend. »Du musst dich leider bis morgen Abend gedulden.«
    »Nein«, antwortete Jesus entschieden. »Wenn es triftige Gründe wie Wassermangel gäbe, würde ich warten. Ein Gesetz, noch dazu von Menschen gemacht, hindert mich jedoch nicht.«
    »Hast du unsere Religion vergessen?«, fragte Maria. »Es ist viel Zeit verstrichen …«
    »Nein, Mutter. Ich glaube einfach, dass der Schabbat für den Menschen gemacht ist – und nicht der Mensch für den Schabbat. Mich juckt es am ganzen Körper, und ich stinke schlimmer als eine wilde Ziege. Und Yuehan genauso. Wir fühlen uns beide in unseren Körpern nicht mehr wohl. Wenn unsere Religion dich jedoch bindet, dann finde ich ein römisches Gasthaus für Yuehan und mich, wo es hier und jetzt ein wenig sauberes Wasser und Zedernessenz gibt.«
    Maria war sprachlos, als sie Jesu Worte hörte. Doch bevor sie antworten konnte, schaltete sich Judas ein. Er verstand Jesus aus tiefstem Herzen und wollte keinen Disput über religiöse Riten befördern, die er insgeheim auch als überholt betrachtete.
    »Ich kenne einen Ort, an dem sie dir für zwei Denar ein Zimmer und einen Bottich mit heißem Wasser geben, Met für mich bereitstellen – und uns beiden Feigen und Datteln kredenzen. Die Sünde ist nur im Herzen desjenigen, der sie begeht. Das pflegte unser Vater zu sagen, und du, Mutter, gabst du ihm nicht recht?« An Jesus gewandt, fuhr er fort: »Um den Jungen wird sich unsere Mutter kümmern, nicht wahr?«
    Maria schnitt eine Grimasse und wuschelte Yuehan durch die Haare.
    »Ja, ich glaube, dass er ein Bad wirklich

Weitere Kostenlose Bücher