Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
und ihn besuchen kommt.«
»Konnten wir es denn ablehnen?«, stellte Cesare fest und streckte seine Beine unter dem Tisch aus.
Lächelnd ignorierte Alexander VI. diese Frechheit. Unter seinen drei Kindern war ihm Cesare charakterlich am ähnlichsten: Sein aufbrausendes Temperament und seine Arroganz machten ihn nachweislich zu seinem Sohn. Diesmal würde er ihm jedoch die Kunst der Diplomatie zeigen müssen, für die sein Sohn vollkommen blind war.
»Hier sind wir unter uns, und wenn wir mit leiser Stimme sprechen, wird uns hier in der Saalmitte niemand hören können …« Alexander hob seine Stimme und donnerte: »… nicht einmal Burcardo, der sich mit seinem schwarzen Büchlein wahrscheinlich hinter einer dieser Türen versteckt. Eines Tages werde ich seine Kritzeleien verbrennen und den Urheber gleich dazu. Habe ich recht, Burcardo?«
Augenblicklich hörte man schnelle Schritte, die sich so leise wie möglich entfernten.
»Ihr seid alle drei hier, weil ich euch vertraue«, fuhr der Pontifex mit seiner normalen Stimme fort. »In euch fließt mein Blut, und in einem von euch gar mehr.«
Cesare entging nicht der flüchtige Blick, den der Papst Lucrezia zuwarf, während Jofré finster dreinblickte. Er litt darunter, dass sich sein Vater hinsichtlich seiner Vaterschaft nicht sicher war, und er musste auch noch Sancha mit seinem Bruder teilen, während dieser nur Spott für ihn übrighatte.
»Zuallererst jedoch möchte ich gemeinsam mit euch ein Gebet für die Seele desjenigen sprechen, der auf diesem leeren Stuhl hätte sitzen müssen – euer Bruder Juan.«
Mit gebeugtem Haupt und zum Gebet gefalteten Händen beobachtete der Papst aus den Augenwinkeln heraus ihre Gesichter, doch sein Blick wurde nur von Cesare erwidert.
»Nun, da wir für ein Leben gebetet haben, das zu Ende ist, öffnen wir unsere Herzen für ein neues, das da kommen wird. Dieses Mal hat der liebe Herrgott mir beim Haupte seines Sohnes geschworen, dass weder eine Konjunktion der Sterne noch ein Engel oder ein Dämon und schon gar keine menschliche Hand diese Geburt verhindern werden.«
Cesare starrte seine Schwester an.
»Bist du also schon wieder guter Hoffnung, du Hündin! Und weiß man wenigstens dieses Mal, von wem der Bastard stammt?«
»Von mir, Cesare.«
Die große Glocke der Basilika schlug zur sechsten Stunde. Als wäre das Ende einer Epoche eingeläutet worden, herrschte während der zwölf Glockenschläge eine abwartende Stille im Saal. Mit gesenktem Blick wartete und hoffte Lucrezia, dass nach dieser vermeintlichen Ruhe endlich ein Unwetter losbrechen würde. Doch nichts geschah.
»Meinen Glückwunsch, Vater und Schwester«, Cesares Stimme zitterte kaum merklich. »Wann dürfen wir die frohe Neuigkeit verkünden?«
»Nie«, antwortete der Papst. »Mein Sohn wird ein echter Borgia mit allen Rechten sein – die dynastischen eingeschlossen. Verstehst du, was ich meine?«
Nein, Cesare verstand nichts. Seit Wochen war es das erste Mal, dass sein Vater diese Angelegenheit wieder aufgriff. Wollte er vielleicht sagen, dass dieses Kind der Erbe des Borgia-Throns sein würde? Das wäre ein offener Schlag ins Gesicht – und das passte nicht zu seinem Vater. Um ihm nicht zu zeigen, dass er nichts verstanden hatte, richtete Cesare seinen Blick auf die holzgetäfelte Decke, aus der ab und zu ein Stück herunterfiel. Alles zerfiel in dieser Basilika.
»Wir würfeln hier, Cesare. Wir verstecken uns nicht hinter den Karten. Und wenn man die Sechs würfelt, dann weiß man, dass die versteckte Zahl nur die Eins sein kann. Hast du verstanden, Jofré?«
Als er das unsichere Lächeln seiner Kinder sah, hob Alexander VI. seufzend seinen Blick gen Himmel, hievte seinen schweren Körper vom Thron und platzierte sich hinter seinen Kindern.
»Dieser Sohn ist eine Garantie für mich, falls Cesare vor der Zeit plant, König zu werden.«
»Wenn sie aber schwanger ist …«, Jofré drehte sich zu seinem Vater um, »wie sollen wir dann die Ehe mit Giovanni Sforza wegen Impotenz annullieren lassen?«
»Sie wird sofort für ungültig erklärt, noch bevor man Lucrezia etwas ansieht. Der Kardinal, Giovannis Onkel, wird sich darum kümmern. In diesem Moment würde er alles tun, um sich bei mir einzuschmeicheln.«
»Da wir gerade beim Würfeln sind, alea iacta est , Vater. Du hast wie Julius Caesar gehandelt und meinen Namen vereinnahmt. Ich bitte daher um Erlaubnis, gehen zu dürfen.«
Cesare versuchte aufzustehen, doch die schwere Hand des
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