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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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er offensichtlich das Ausmaß der Dummheit unterschätzt.
    Der Mönch machte einen Schritt auf ihn zu.
    »Ich hätte es bedauert abzureisen, ohne Euch vorher kennengelernt zu haben.«
    »Ja, das wäre in der Tat äußerst betrüblich gewesen. Burcardo, steh nicht da wie ein Ölgötze: Serviere uns einen Becher Vin Santo, ich denke, es gibt in diesem Moment nichts Passenderes.«
    »Habt Dank, Eure Heiligkeit, aber nun muss ich wirklich gehen. Ich habe bereits das Vergnügen gehabt, mich von Eurem Freund Giovanni de’ Medici zu verabschieden, dem ich – auf dass er mich in guter Erinnerung behalte – ein schönes Buch überließ. Auch für Euch habe ich ein Geschenk.«
    »Welches Buch?«
    »Oh nein, für Euch, der schon so viel weiß, habe ich kein Buch.«
    »Welches Buch?«, fragte Alexander mit Nachdruck, bereit, den Feiertag wieder abzuschaffen. »Das von …«
    »Ja, ich glaube, es ist das, was Ihr meint.« Ada Ta lächelte. »Überaus alt, überaus schön und überaus wahrhaftig.«
    In diesem Moment wurde die Tür aufgerissen, und vier mit Schwertern und Knüppeln bewaffnete Männer stürmten in das Studierzimmer. Flink brachte sich Burcardo hinter dem Thron in Sicherheit.
    »Verhaftet ihn!«, sagte der Papst seinen Wachmännern eisig, »aber bringt ihn nicht um.«
    »Welch bizarre Gepflogenheiten!«, rief Ada Ta. »Sie verstoßen gegen das heilige Gebot der Gastfreundschaft.«
    Auf ein Zeichen des Papstes gingen seine Männer mit gezückten Schwertern in der linken und Knüppeln in der rechten Hand drohend auf den Alten zu. Ada Ta lächelte. Es war falsch, eine Drohgebärde einzunehmen. Im Kampf braucht man keine Drohungen – man braucht nur den richtigen Winkel einzuhalten, um sein Ziel sicher zu treffen. Mit dem rechten Fuß machte Ada Ta also eine Drehung und fand das Gleichgewicht, während er mit dem nach unten baumelnden Stock Schwäche zu demonstrieren schien. Er bereitete sich auf den Angriff vor wie eine Schlange, die sich tot stellt, um die Beute anzulocken. Ein Soldat traf Ada Ta unter dem Kinn, während dieser den Mann an der Milz traf. Von seiner Schnelligkeit überrascht, wichen die anderen beiden erstaunten Gardisten zurück. Soweit es das Studierzimmer zuließ, gingen sie auf Distanz und warfen einen Stuhl nach dem Alten, der wie ein Derwisch zu tanzen schien: Sein Stock schlug unentwegt nach ihnen, und um sich erwehren zu können, mussten sie wohl oder übel in seine Nähe kommen.
    »Tut etwas, bei Gott, Burcardo!«, schrie der Papst.
    Durch den Ton seines Herren verängstigt, wollte Burcardo dem Mönch das schwere Tintenfass entgegenschleudern, zog aber augenblicklich seine schmerzlich getroffene Hand zurück – mit dem Ergebnis, dass sich die rote Tinte über die auf dem Tisch liegenden Papiere ergoss und zu allem Überfluss auch noch den wertvollen Hermelinumhang des Papstes besudelte.
    Ada Ta vermied tödliche Schläge: Treffer an Schläfen, Mund, Magen oder zwischen die Augen. Er zielte ausschließlich auf Ellenbogen und Kniegelenke – was für die Getroffenen zwar überaus schmerzhaft war, aber keine bleibenden Schäden hinterließ. Der Papst trat erneut auf das in den Boden eingelassene Holzpedal, um weitere Wachen herbeizurufen. In der Zwischenzeit war der Alte mit einem Luftsprung hinter dem am weitesten entfernten Wachmann gelandet und hatte diesen mit einem Schlag auf den Rücken in die Knie gezwungen. Nun hatte Alexander Angst. Die orientalischen Gesichtszüge des Mönchs glichen einem glatzköpfigen Dämon, den irgendein Idiot als Fresko an die Wand der Sixtinischen Kapelle gemalt hatte.
    Als Ada Ta innehielt, befürchtete der in die Knie gezwungene Soldat einen erneuten Angriff und wagte nicht mehr, sich aufzurichten. Die Ekstase, die Gua Li gerade erlebte, erreichte den Geist des alten Mönchs, der Freude und Schmerz zugleich empfand. Nun wusste er, dass auch der dritte Teil des großen Plans vollzogen war. Fehlte noch der vierte und letzte.
    Ada Ta erwachte – nackt wie ein Wurm und in Ketten gelegt. Er fragte sich, wie viel Zeit wohl zwischen seinen letzten Gedanken und dem Erwachen in diesem feuchten, dunklen Käfig vergangen war. Momente oder ganze Monde? Er wusste es nicht.

41
    Rom, 20. November 1497
    Nach genau drei Tagen ersetzte Gua Li das Opium durch Bilsenkraut, wie Ada Ta sie angewiesen hatte. Langsam kam Ferruccio wieder zu sich. Während sie ihm half, wieder auf die Beine zu kommen, belog sie ihn: Die Wunde habe sich entzündet, erzählte sie ihm, und er habe

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