Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
ewiglich, Vater.«
Savonarola durchquerte das Kirchenschiff von Santa Maria Novella. Sein Blick verweilte dabei auf dem Kreuzgratgewölbe über sich. Er erreichte den Chorraum, der den Geistlichen vorbehalten war, und trat durch eine kleine Tür in den Korridor, den die Nonnen benutzten. Um der sündigen Versuchung nicht zu erliegen, deren Feuer ihn in seiner Jugend beinahe zerfressen hätte, bekreuzigte er sich und ließ sich von der Äbtissin die Hand küssen.
»Wie geht es unserem Bruder? Wie laufen die Geschäfte?«
»Gut, mit Gottes Hilfe«, antwortete die Äbtissin.
»Die Ricci sind immer gottesfürchtige Christen gewesen und haben sich nicht von den Schmeicheleien der Medici blenden lassen – auch als ihre Bank in Schwierigkeiten war. Überbringe ihnen meine Grüße und den Segen Gottes.«
»Seid gesegnet, Bruder Girolamo. Nun kommt, Eure Schutzbefohlene ist ganz unruhig. Nur Ihr werdet sie besänftigen können.«
»Nein, das kann nur der Herr.«
»Sein Wille geschehe.«
Als Savonarola die Zelle betrat, lief die Novizin schluchzend hinaus. Auch Leonora weinte. Es war ein sanftes Weinen, und nur aus der Nähe konnte man ihre Tränen sehen. Verschwitzte Haarsträhnen klebten auf ihrem Gesicht.
»Leonora, hast du geruht?«
In seiner Stimme war kein liebevolles Wohlwollen, und als müsse sie sich instinktiv gegen diese Härte verteidigen, erwachte die Frau aus ihrer Apathie. Sie riss die Augen auf, sah sich um und versuchte, sich ein wenig aufzurichten.
»Habt Dank, dass Ihr mich aufnahmt, Vater.«
»Das ist die Pflicht eines jeden Christen. Matthäus sagt, dass es nicht die Gesunden sind, die eines Arztes bedürfen, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um die Rechtschaffenen zur Reue aufzurufen, sondern die Sünder.«
»Ich danke Euch im Namen meines Sohnes, denn ich glaube keine Sünde begangen zu haben, außer vielleicht, dass ich immer noch am Leben bin. Er aber, mein kleiner Sohn, muss leben.«
Verzweiflung und Würde waren aus ihrer Stimme zu hören. Sie klang wie jemand, der verloren, aber nicht aufgegeben hat.
»Das Leben gibt nur Gott. Nichtsdestotrotz möchte ich nicht mit dir disputieren, Leonora. Bruder Mariano erzählte mir, wie sehr du gelitten hast. Erinnere dich immer daran, dass sein Bruder deine Befreiung mit seinem Leben bezahlt hat, und vergelte es ihm mit Gebeten für seine Seele. Die Kreatur, die du in deinem Leib trägst, ist hier sicher, wenn du die Regeln befolgst.«
»Und welche sind das?«
»Du wirst Mutter Ludovica Gehorsam leisten und diese Mauern nicht verlassen. Draußen ist es nicht mehr sicher für dich. Diejenigen, die dich ermorden wollten, werden es wieder versuchen. Ich werde dir nichts Weiteres auferlegen: Ich habe Eure Verbindung gesegnet und werde sie weiterhin beschützen. Der Mensch darf das heilige Band nicht zerreißen, das Gott geschaffen und geweiht hat. Das befiehlt die Bibel.«
»Wie es geschrieben steht : Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht.«
Die geflüsterten Worte ließen den Mönch an der Schwelle innehalten. Er drehte sich nicht um, blieb aber stehen, um ihnen zu lauschen.
» Ich will aufstehen und in der Stadt umhergehen auf den Gassen und Straßen und suchen, den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht . Auch dies steht in der Bibel, Girolamo.«
Aus Furcht und Respekt wagte es normalerweise niemand, ihn bei seinem Vornamen zu nennen – die Letzten, die dies getan hatten, waren Leonora und Ferruccio gewesen. Und vor ihnen waren es der Graf Mirandola und seine Mutter gewesen. Und Laudomia. Sie erschien ihm in all ihrer Schönheit, unnahbar und hochmütig. Ihr hatte er die herzzerreißenden Liebesverse aus dem Hohelied rezitiert, die Leonora gerade aufgesagt hatte. Savonarola kam auch das Gedicht in den Sinn, das er selbst verfasst hatte:
Ben vengo amore,
ti sento nel cuore.
Pensando la tua grazia di venir in me vile,
l’anima non si sazia di te, amor gentile. Die Liebe fühlte ich in meinem Herzelein,
nur für dich ganz allein.
An deine Schönheit dacht’ ich voller Schauer,
meine Holde, deine Liebe lebt in mir auf Dauer.
Später, als er erkannt hatte, dass Laudomia ihn nicht verdiente, hatte er sein Gedicht der Madonna gewidmet. Hässlich sei er, hatte sie ihm gesagt und ihn einen Plebejer genannt, als er ihr sein Herz offenbarte. Er hatte sie daraufhin einen weiblichen Bastard geschimpft. Und in der Tat: Beide hatten sie die Wahrheit gesagt. Er
Weitere Kostenlose Bücher