Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
Vom Netzwerk:
ist. Es sieht fast aus wie das Grab eines Heiligen.«
    »Warum? Ist der Papst denn kein Heiliger?«
    »Selbstverständlich ist er das, du Dummkopf, aber nur zu Lebzeiten.«
    Zufrieden ging Ada Ta ins Atrium und blieb vor dem imposanten Pinienbrunnen aus Bronze stehen. Er erfreute sich an dem Wasserspiel, das ihn vom Staub der Basilika und den Gedanken befreite, die ihn manchmal von dem Weg der Gerechtigkeit abbrachten. In der Tat gab es Momente, in denen er Probleme lieber mit seinem Stock als mit seinem Verstand lösen würde. Doch das durfte er nicht laut sagen.
    Nachdem Ada Ta sich von seinen lästerlichen Gedanken befreit hatte, fühlte er sich besser und bereit für die Begegnung. Er streckte und reckte sich und versenkte sich in die Meditation: Er stellte sich die Pinie als mächtigen Gegner vor; und erst, als der alte Mönch davon überzeugt war, dass er ihn schlagen würde, machte er sich zu den Gemächern des Papstes auf.
    Im zweiten Stock saß Alexander VI. in seinem Studierzimmer. Hin und wieder blickte er zu Burcardo hoch, der vor ihm stand und ihm die Korrespondenz reichte. Manche Dokumente mussten nur gelesen, andere mit Unterschrift und Siegel versehen werden. Als der Zeremonienmeister mit einem Schreiben in der Hand, das die Unterschrift Ferdinands von Aragonien trug, wie eine Salzsäule vor ihm stand und weder etwas sagte noch es weiterreichte, verlor der Papst die Geduld.
    »Burcardo, du Esel! Worauf wartest du? Auf die Posaunen der Gerechtigkeit?«
    »Hei…ligkeit«, stotterte dieser, und ohne dem Weiteres hinzuzufügen, zeigte er mit dem Finger auf die gegenüberliegende Wand.
    Alexander schaute auf seine Hand und folgte der Richtung des Zeigefingers, bis er im Halbschatten eine Art Gespenst oder etwas, das einer menschlichen Gestalt sehr ähnlich sah, erkennen konnte. Er riss die Augen auf: Dort war jemand, der da nicht hingehörte. Während Burcardo das unerträgliche Verlangen verspürte zu urinieren, trat der Papst auf ein Holzpedal im Boden. Zwei Stockwerke darunter erklang eine Glocke im Zimmer der Wachen. Ob dieses in eine rote Tunika gehüllte Wesen aus Fleisch und Blut oder ein Geist war – bald würde es mit den Kriegern seiner Heiligkeit Bekanntschaft machen.
    Das Wesen stand auf. Burcardo machte sich in die Hosen, doch Alexander blieb ruhig sitzen und hielt sich mit Nachdruck an der Tischplatte seines wertvollen Schreibtisches fest.
    »Ich bitte untertänigst um Verzeihung«, sagte Ada Ta mit gefalteten Händen. »Habe ich die Ehre, mit dem Bischof von Rom, dem Vikar von Jesus Christus, dem Nachfolger des Apostels Petrus, dem höchsten Pontifex der universellen Kirche, dem Erzbischof der römischen Provinz, dem Oberhaupt des Kirchenstaates und dem Diener der Diener Gottes zu sprechen? Ich hoffe, ich habe keinen Eurer Titel vergessen.«
    »Das sind Wir.«
    Ohne eine weiteres Wort zu sagen, strich sich der Pontifex mit dem Zeigefinger über seinen Nasenhöcker. Er hatte ohne zu zögern geantwortet. Ein wenig zu respektvoll zwar, wie er fand – andererseits: Musste man Verrückte nicht weitaus mehr fürchten als Bösewichte? Und das Einzige, was man tun konnte, wenn sie einen bedrängten, war, sie hinzuhalten, um Zeit zu gewinnen, bis Hilfe kam. Als er noch ein Jüngling war, hatte ihm sein Lehrer immer und immer wieder die Geschichte des römischen Konsuls Quinto Fabio Massimo Verrucoso erzählt, der Rom genau mit dieser Methode vor Hannibal gerettet hatte.
    »Und wer seid Ihr?«
    »Ich bin nur Ada Ta.«
    Für einige Augenblicke schweifte Alexanders Blick ab. Er sah die orientalischen Gesichtszüge des Alten und wusste sofort, wen er vor sich hatte. Am Tag der Heiligen Peter und Paul, als deren würdiger Nachfolger er sich fühlte, hatte ihm Gott – sollte er denn wirklich existieren – eine Gnade gewährt, um die er nicht einmal gebeten hatte. Augenblicklich verschwand die Angst, und die Gier loderte in Alexanders Herz auf. Dieser Fremde war der Schlüssel – er musste ihn nur zum Sprechen bringen. Unter anderem interessierte ihn brennend, wo ihn der Kardinal wohl die ganze Zeit versteckt gehalten hatte.
    »Seid willkommen. Doch sagt Uns: Wie habt Ihr es vollbracht, ohne Ankündigung einzutreten?«
    »Ganz einfach. Ich habe gefragt, und alle Türen wurden mir geöffnet. So wie Euer Herr sagt: Klopfet an, so wird euch aufgetan .«
    »Ich verstehe.«
    In Wirklichkeit verstand der Pontifex jedoch überhaupt nichts. Er wusste zwar, dass er von Idioten umgeben war, aber bislang hatte

Weitere Kostenlose Bücher