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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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unsanft zur Seite stieß.
    »Geht weg, das hier sind Frauensachen.«
    Die Frau krempelte sich die Ärmel hoch und riss grob die Decke und die Leintücher zur Seite. Leonoras Hemd aus Hanf war vollkommen durchgeschwitzt.
    »Geht, habe ich gesagt! Das hier ist kein Spektakel für Männer. Frauen sind unrein, wisst Ihr das nicht?«
    »Sie … sie ist mein Weib«, stotterte Ferruccio.
    »Und wenn es Eure Mutter wäre: Raus hier!«
    »Geh, Ferruccio.« Gua Li berührte seinen Arm. »Ich werde bei ihr bleiben.«
    Mit hängenden Schultern schaute Ferruccio zuerst in Leonoras Antlitz, dann auf das Bett und wich schließlich zurück, bis er rücklings gegen die Tür stieß. Er öffnete sie und ließ eine Magd mit einer Schüssel warmem Wasser durch. Dann schloss er die Tür leise hinter sich und ließ sich erschöpft auf eine Bank fallen.
    Zwei Nonnen hielten Leonora, die auf dem Bett stand, fest: Ihr Kopf hing herunter, ihre Arme baumelten leblos wie an einer Stoffpuppe herab. Nur die Beine standen steif und fest auf dem Bett, als wäre der ganze Wille aus dem bewusstlosen Geist in Leonoras untere Extremitäten gewandert.
    »Sie schafft es nicht.«
    Die Hebamme wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß aus der Stirn, um die Hände dann wieder auf Leonoras Leib zu legen. Leise begann Gua Li zu beten.
    Leonora öffnete in einem stillen Schrei ihren Mund, riss die Augen auf und starrte sie an.
    »Da ist es!«, schrie die Hebamme. »Beim Haupte des San Cosmas, er hat Gnade gewährt! Haltet sie fest, um Gottes willen.«
    Mit einem Blutschwall kam der Kopf des Kindes zum Vorschein. Die Frau wartete gerade so lange, dass sie ihn mit Kraft packen konnten, ohne ihn zu quetschen. Sie kannte ihr Metier. Mit einer leichten Drehung begleitete sie das Herausrutschen des Kindes, um es dann an den Schultern zu fassen und gänzlich aus Leonoras Schoß herausgleiten zu lassen. Sie biss die Nabenschnur durch, die das Kind noch mit der Mutter verband, spuckte das schleimige Blut auf den Boden und machte einen festen Knoten in die Nabelschnur.
    »Es ist ein Junge, aber er ist zu klein, um zu leben.«
    »Gebt ihn mir«, befahl die Äbtissin.
    »Nein, ihr seid alt. Das Kind braucht Leben. Ich werde es ihr geben.«
    Die Frau übergab das blutverschmierte Kind Gua Li, die es entgegennahm und in eine Schüssel mit lauwarmem Wasser tauchte. Die Äbtissin versuchte, sie aufzuhalten.
    »Lasst sie machen«, ordnete die Hebamme an. »Sie weiß es besser als Ihr. Der Kleine ist so mager wie Christus am Kreuz. Wenn er überlebt, dann wird es ihr Verdienst sein. Und nun gebt mir meinen Lohn. Ich habe zwei Mäuler, die ich stopfen muss und die zu Hause auf mich warten.«
    Gua Li hob den Jungen aus dem Wasser. Er hustete und gab eine Art Quieken von sich. Gua Li legte ihn auf eine saubere Ecke des Bettes und trocknete ihn mit einem Lappen ab. Eine Nonne reichte ihr eine Decke und ein Mützchen; und Gua Li dankte es ihr mit einem Lächeln.
    Leonora saß von zwei Kissen gestützt auf ihrem Bett. Sie atmete kaum, doch als sie das Gesichtchen des Kindes auf ihren Brüsten spürte, schrak sie auf. Als Gua Li ihr die Brust entblößte, damit der Mund des Kindes die Brüste finden konnte, berührten sich ihre Hände. Leonora griff nach Gua Lis Fingern, um sie festzuhalten. Dann legte sie ihre Hände auf die Schultern jenes Sohnes, der vor der Zeit auf die Welt kommen wollte, als er die Berührung und die Stimme des Vaters gespürt hatte.
    Mit gesenktem Haupt verließ die Äbtissin eilig den Raum und blieb vor Ferruccio stehen. Sie holte unter ihrer Kutte einen Rosenkranz aus Holz hervor und reichte ihn ihm. Als er sich weigerte, ihn entgegenzunehmen, warf sie ihm den Rosenkranz einfach auf den Schoß.
    »Nehmt ihn an und betet für beide, Mutter und Kind. Sie haben nicht mehr lange zu leben.«
    Ferruccio ergriff den Rosenkranz und ließ die Holzperlen durch seine Finger gleiten. Dann waren sie also am Leben. Er schloss die Augen, riss sie aber augenblicklich wieder auf, denn er hatte ganz vergessen, die Äbtissin zu fragen, ob das Kind ein Sohn oder eine Tochter war. Doch sie war schon weg, und die Frage zerschellte zwischen den Tränen, die ihm im Halse steckten.
    Niemand freute sich. Außer Zebeide, die von der Äbtissin die Erlaubnis erhalten hatte, zu Füßen von Leonoras Bett schlafen zu dürfen. Die jungen Nonnen, die den kleinen Körper sahen, freuten sich nicht, sondern wurden von Mitleid ergriffen. Der Kleine würde das neue Jahr gewiss nicht mehr erleben.

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