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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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über Gleichheit und Gerechtigkeit. Die Mächtigen und die Tyrannen hingegen haben einen Gott nach ihrem Abbild geschaffen. Einen rachsüchtigen Richter und mörderischen Henker, der nur in der Auslöschung des Schuldigen Gnade gewährt. Ich aber sage euch: Die solche Botschaft predigen, werden am Ende ihrer Tage nach den Gesetzen verurteilt werden, die sie verkündeten.
    7.Niemand, der bei klarem Verstand war, hat sich je zum Gott erklärt – außer er verfolgte böse Absichten. Derjenige, der behauptet, die Wahrheit zu kennen, ist ein Betrüger; derjenige aber, der auf der Suche nach der Wahrheit ist, ist ein ehrlicher Mann; derjenige, der Gutes predigt, aber dem Bösen folgt, ist ein Heuchler; derjenige, der fällt, aber wieder aufsteht, ist ein ehrlicher Mann; derjenige, der jemandem Böses tut, ist selbstsüchtig; derjenige aber, der Gutes tut, ist ein ehrlicher Mann.

DRITTES BUCH
    oder die Gesetze
    1.Es steht geschrieben: Du darfst nicht stehlen, und das ist richtig. Aber wenn der Arme seine Kinder nicht satt machen kann, während in den Palästen sogar die Hunde wohlgenährt sind?
    2. Es steht geschrieben: Du darfst nicht töten, und dies gilt überall. Darum kann es keinen gerechten Krieg geben, und kein Priester kann jemals im Namen Gottes einen Soldaten segnen. Das Leben darf nur verletzt werden, wenn man das eigene oder das eines anderen verteidigen muss.
    3.Es ist erlaubt, Tiere zu töten – aber nur, um den Hunger zu stillen und ohne sie dabei leiden zu lassen. Die Regeln des Schlachtens haben nichts mit Gott, sondern allein mit der Gesundheit des Menschen zu tun – und mit seiner Pflicht, seinen Körper und den der anderen vor Krankheit zu bewahren.
    4.Es steht geschrieben: Am siebten Tage aber sollst du ruhen. Dieses Gebot ist von den Menschen gemacht. Gott muss sich nicht ausruhen.
    5.Es steht geschrieben: Du sollst nicht die Ehe brechen. Denn wer Ehebruch begeht, sündigt gegen die Liebe. Ohne Liebe existiert kein Ehebruch, und ohne Liebe gäbe es kein Leben.
    6.Es steht geschrieben: Du sollst nicht deines Nächsten Hab und Gut begehren. Wenn einem Mann jedoch alles fehlt – eine Familie, ein Heim, ein Feld und ein Tier, dann ist sein Begehren rechtmäßig. Und derjenige, der mehr besitzt, soll geben, auf dass alle Menschen seines Volkes ein Leben in Würde führen können.
    7.Es steht geschrieben: Du sollt kein falsches Zeugnis ablegen. Das gilt nicht nur für Worte, sondern auch für Taten: Niemand darf über Gerechtigkeit sprechen und falsch handeln; niemand darf über Freiheit sprechen und sie den andern nehmen; niemand darf seinen Nachbarn anlächeln und ihm dann in den Rücken fallen; niemand darf Korn verkaufen und falsch wiegen; niemand darf wissen, was richtig ist, und doch das Falsche tun.
    8.Es steht geschrieben: Du sollst dir kein Abbild Gottes machen, das ist richtig. Das Göttliche ist in jedem Menschen und in allem, was ihn umgibt. Das Göttliche ist seine Natur, so wie die Natur selbst. Das Göttliche ist Mutter und Vater; Tochter und Sohn; Schwester und Bruder; es ist das Leben, das uns umgibt.
    9.Das höchste der Gebote aber ist: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe ist das Gute; wo die Liebe fehlt, ist das Böse. Von diesem Prinzip leitet sich jedes Gesetz ab.
    10.Über das Gesetz: So wie die Priester im Dienste des Sanhedrins stehen, der die Gesetze nicht schreibt, sondern kommentiert und interpretiert, so steht das Gesetz im Dienst der Gerechtigkeit. Gesetze ändern sich mit Sitten und Zeiten; Gerechtigkeit aber ist unveränderbar.

VIERTES BUCH
    oder die Erzählungen
    1.Ich war noch nicht lange unterwegs in den Dörfern, um Zeugnis abzulegen, als ich an den Ufern des Sees Genezareth auf eine Gruppe Fischer mit halb leeren Netzen traf. Sie grämten sich, weil sie nicht genug gefangen hatten, um ihren Hunger zu stillen. Meine Brüder und Gefährten teilten unser Brot mit ihnen und die Fischer ihren Fang mit uns. Und die Menschen verstanden: Man muss teilen, um gut leben zu können. Denn wenn die Menschen teilen, haben sie alles, was sie brauchen, ohne sich gegenseitig etwas wegzunehmen oder unnötigen Ballast anzuhäufen. Brüderlichkeit bringt Reichtum und Freude; Habsucht aber macht arm und traurig.
    2.In der Nähe von Nazareth trafen wir auf einen Mann, der vorgab zu hinken, um Almosen zu erbetteln. Judas beschimpfte ihn als Betrüger und wollte ihn fortjagen. Ich aber gab ihm einen römischen Silberling. Judas warf mir vor, dass ich zu gutgläubig

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