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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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des Trimalchio erneut zu kredenzen: Ein ganzes, mit Wachteln, Tauben und Drosseln gespicktes Schwein wurde von vier Dienern einmal um die Tafel herumgetragen. Vannozza erhob sich und eröffnete das Festmahl, indem sie dem Schwein den Bauch aufschlitzte. Von den Schreien der Frauen und dem Applaus der Männer begleitet, flogen zwei Tauben aus dem Schweinebauch – aber eine fiel sogleich sterbend zurück auf die Tafel. Schnell griff ein Diener ein und schaffte den unangenehmen Anblick weg.
    Cesare erhob das Glas.
    »Derjenige, der den Heiligen Geist getötet hat«, rief er, »soll nicht mehr die nächste Morgenröte erleben.«
    Auch das anschließende schallende Gelächter überspielte nicht die entstandene Verlegenheit. So lange nicht, bis der Papst selbst den Kelch erhob.
    »Amen«, sprach er ohne Nachdruck. Alle Anwesenden fielen ohne großen Enthusiasmus ein.
    Juan sprach noch immer ausschließlich mit seiner Schwester. Er küsste ihre Hand und streichelte ihr das Handgelenk: Ihre Gleichgültigkeit gegenüber den anderen Tischnachbarn, die mit schlüpfrigen Fragen oder bissigen Kommentaren versucht hatten, sie ins Gespräch zu ziehen, hatte sich in arrogante Herablassung verwandelt.
    Vannozza ließ ihre Blicke zwischen ihren beiden Söhnen hin und her schweifen. Die Entfernung zwischen den beiden würde es Cesare erschweren, die todbringende Giftmischung aus seinem Ring in das Glas oder auf den Teller seines Bruders zu leeren – sollte er wirklich die Absicht haben, ihn zu töten. Vieles sprach dafür – er benahm sich vollkommen anders als sonst – sprach mit lauter, nervöser Stimme und scherzte unbeholfen mit Sancha, die über sein Benehmen sichtlich verwundert schien.
    Vannozzas Aufmerksamkeit wurde jedoch von drei jungen Frauen abgelenkt, die sich vollkommen nackt auf die Tafel legten. Sie waren von oben bis unten mit der mysteriösen spanischen Mahón-Creme bestrichen worden, Alexanders Lieblingsspeise. Die Creme war auf seinen ausdrücklichen Wunsch von Lucrezia höchstpersönlich für ihn zubereitet worden. Man sagte, nur Lucrezia wüsste, wie das Öl und der Zitronensaft, Tropfen für Tropfen unter die Gänse-Eigelbe geschlagen werden mussten, die ein kräftiger Koch so lange rühren musste, bis die Masse stockte. Dafür war es ihr sogar erlaubt worden, sich für einen Tag aus dem San-Sisto-Kloster zu entfernen, wohin sie verbannt worden war, um ihre Schwangerschaft zu Ende zu bringen. Unter dieser gelben Creme sahen die jungen Frauen wie drei Kadaver aus, die dem Gelbfieber anheimgefallen waren. Auf ihren Körpern waren außerdem Zackenbarschkaviar im Blätterteigmantel, Meeresfrüchte und lebende Krebse verteilt, die hilflos auf den jungen Frauen umherkrabbelten. Wenn sie von den glitschigen Körpern rutschten, wurden sie geschnappt, zerquetscht und von den belustigten Gästen ausgelutscht.
    Die unglückseligen Jungfrauen, die den Befehl hatten, sich nicht zu rühren, zitterten unter den Krebsen und den Messern, die die Creme von ihren Körpern kratzten und erbebten unter grabschenden Händen und Fingern, die sich in jede Ritze vorwagten.
    Auch die zwei Scudi, die sie für diesen Dienst erhalten würden, waren kein Trost, und sie wären liebend gerne in Ohnmacht gefallen – aber auch das war verboten. Als alles Getier vertilgt war, durften sie sich auf ein flinkes Handzeichen hin endlich erheben, und glitschig, wie sie waren, konnten sie den aufdringlichen Händen unauffällig entgleiten.
    »Wer möchte von den Aalen aus Comacchio kosten?«, fragte Vannozza mit lauter Stimme. »Sie sind ein Geschenk der Serenissima, die uns überaus wohlgesonnen ist.«
    Einige wussten Bescheid, andere nicht. Die Letzteren begannen, die Aale zu kosten, die unter der dicken Schicht von Mehl und Essig kaum noch zu erkennen waren. Es wurde kräftig gekaut, aber sie waren so trocken und hart, dass es nicht möglich war, ein Stück abzubeißen. Man bemühte sich redlich, denn am Tisch des Papstes durfte man sich keine Blöße geben, bis ihr Gemurmel von dem Gelächter der Eingeweihten übertönt wurde.
    »Meine Herren«, rief Vannozza aus, »haltet ein mit Eurem Tun. Glaubt Ihr in der Tat, dass der Doge uns ein Geschenk zukommen ließ? Das, was Ihr da zu verspeisen versucht, ist kein Aal, sondern ein Hanfseil, an dem alle hängen sollen, die Feinde der Kirche sind.«
    Gute Miene zum bösen Spiel machen – das ist die Essenz der Diplomatie, und unter den Botschaftern und Kirchenfürsten gab es keinen, der sich nicht

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