Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
aufgeregt pickend umherlief. Ein Gast warf seinen Hut nach ihr, der jedoch unter allgemeinem Gelächter in einer Pfütze landete. Vor den Küchen konnte Vannozza ein Purpurgewand hinter den Büschen erahnen – das Keuchen aus eben dieser Richtung veranlasste sie jedoch, schnell weiterzugehen. Sie fand Burcardo und befahl ihm, das Sorbet vorzubereiten und es unverzüglich bei der Ankunft des Papstes zu servieren. Der Zeremonienmeister versicherte ihr, dass alles bereit sei, und notierte die Anweisung eilig in seiner Kladde.
Vannozza begab sich im ersten Stock in ein Gemach, das nur ihr und Cesare vorbehalten war. Sie fand ihn mit nacktem Oberkörper vor, während er in einen heißen Kupferkessel urinierte, der über dem schwachen Kaminfeuer hing. Unbeeindruckt machte Cesare weiter. Als er fertig war, rührte er den Inhalt mit einem Holzlöffel um. Er nahm den Kessel vom Feuer, stellte ihn auf den Tisch und kühlte ihn mit einem Fächer ab. Mit einer Hasenpfote kratzte er das zusammen, was übrig geblieben war. Es sah aus wie ein grünlicher Schimmelpilz. Cesare zermahlte es in einem Mörser aus Marmor, bis er ein feines Pulver daraus gewonnen hatte.
»Reich mir das Manna.«
Vannozza erbleichte, holte ein blaues Fläschchen und reichte es ihm. Das Arsen floss Tropfen für Tropfen langsam in das Pulver, bis es komplett absorbiert war. Mit einem Elfenbeinlöffelchen nahm Cesare alles auf und füllte damit die Ausbuchtung seines Rubinrings bis zum Rand. Den Rest warf er ins Feuer.
»Wenn Gott sagt, ›Es werde Licht!‹, und es ward tatsächlich Licht, dann können wir Borgia sagen, ›Es werde Nacht‹, und es wird tatsächlich Nacht!«
Vannozza drehte ihm den Rücken zu.
»Für wen ist es diesmal?«
»Sag du es mir. Wenn es nach dir ginge, wäre es vielleicht für die schöne Giulia? Oder würdest du dich lieber von deinem Carlo befreien? Nach elf Jahren ehelicher Treue?«, sagte er und grinste seine Mutter schamlos an. »Du hättest alles Recht der Welt, endlich Witwe zu werden …«
In diesem Moment ertönte im ganzen Palazzo das Benedicite, um das Festmahl anzukündigen. Burcardo ließ es dreimal erklingen, damit niemand nach dem Eintreffen des Papstes erscheinen würde. Vannozza saß zwischen dem französischen und dem spanischen Botschafter an der Mitte der Tafel und genoss ihren Triumph. Ihr gegenüber saß auf einem vergoldeten Stuhl der Papst, der vier Lustra lang ihr Liebhaber gewesen war. Sie war von allen Gespielinnen am längsten seine Geliebte gewesen. Und die Farnese, die sie damals entthront hatte, war nicht da, stellte Vannozza zufrieden fest. Ab und zu warf sie Cesare, der zwischen seiner Schwägerin Sancha und Kardinal Orsini saß, einen besorgten Blick zu. Vielleicht würde der reiche Prälat in ein paar Tagen sein Leben gegen seine Besitztümer eintauschen und diese den Borgia übertragen. Juan und Lucrezia schienen sich nicht für die Konversationen um sie herum zu interessieren, sondern warfen einander verschwörerische Blicke zu, wie sie es seit ihrer Kindheit zu tun pflegten. Als Herzog von Gandia und ältester Sohn hätte Juan ein anderer Sitzplatz zugestanden, aber so war es besser. Besser, sie waren nur Zuschauer in einer Komödie als die Hauptfiguren einer Tragödie, die die Borgia überaus geschickt zu inszenieren wussten.
Erleichtert, dass die beiden Brüder weit voneinander getrennt saßen, ließ Vannozza ihren Blick über die Tafel schweifen. Zwei ihr unbekannte Edelmänner, die in einiger Entfernung von ihr an der Tafel saßen, erweckten ihre Neugierde. Einer der beiden war hochgewachsen und nicht sonderlich elegant gekleidet. Sein Spitzbart war grau meliert, und er lächelte freundlich – aber mit einem stolzen und durchdringenden Blick, der unter all den Lakaien und Günstlingen deplatziert wirkte. Jedenfalls gehörte er nicht zu ihrem Dunstkreis, so viel war sicher. Also musste er entweder zu der einen oder der anderen Gruppe gehören. Wirklich schade. Später würde sie sich Informationen über ihn beschaffen, aber nun war der Zeremonienmeister zu beschäftigt, damit alles so ablief, wie sie es befohlen hatte.
Nachdem ihm von der Gastgeberin das Plazet signalisiert wurde, klatschte Giovanni Burcardo in die Hände, worauf fünfzehn Diener in kurzen Leinentuniken, goldenen Stirnbändern und blond gelockten Perücken den Saal betraten. Das Motto des Abends war »Römisches Gelage«, und der Zeremonienmeister hatte sein Bestes getan, um den Gästen das denkwürdige Gastmahl
Weitere Kostenlose Bücher