Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
überaus belustigt über den Scherz zeigte. Cesare war nach wie vor sehr nervös und trank unmäßig. Das passte gar nicht zu ihm, und Vannozza befürchtete schon, dass das Festmahl, das so fröhlich begonnen hatte, blutig enden könnte. Auch, weil Rodrigo anders als sonst, nämlich schweigsam und schlecht gelaunt war. Zwischen den sich abwechselnden Fleisch- und Fischgängen wurden kleine Tonkrüge in Schädelform gereicht. Jeder Gast durfte einen davon mit einem Eisenklöppel kaputt schlagen und dabei laut den Namen seines Feindes aussprechen. Im Innern der Schädelkrüge lag ein kleiner zusammengerollter Siebenschläfer, der aussah, als würde er in der Schale einer Walnuss schlafen. Das in Honig glasierte und mit Mohnsamenpuder bestäubte Tierchen sollte den Gästen Kraft, Gesundheit und Fruchtbarkeit spenden.
Hinter einem Paravent ertönten nun die sanften Melodien einer Panflöte und Harfenklänge, während Schlag auf Schlag immer weitere Gänge aufgetragen wurden. Die Völlerei schien gar kein Ende mehr zu nehmen: Einem Schwein wurde die Kehle durchgeschnitten, um den Gästen das gesammelte, kurz erhitzte und gestockte Blut zu servieren. Ein Fischer tat so, als erlegte er einen frisch gefangenen Thunfisch mit zwei scharfen Messern und kredenzte den Gästen dann die in Garum eingelegten Filetstücke. Einige der älteren Gäste waren bereits auf ihren Stühlen eingenickt, als eine hölzerne Priapos-Figur an die Tafel gefahren wurde, aus dessen enormem Phallus sich getrocknete und kandierte Früchte ergossen.
Nachdem die meisten Nestelbänder bereits von den Beinlingen gelöst waren, gingen die fachmännischen Frauenhände mittlerweile unter den Tuniken der Diener auf Wanderschaft. Als Giovanni Burcardo sich Vannozza näherte und ihr etwas ins Ohr flüsterte, erteilte sie ihm sofort den Befehl. Einige Minuten später wurden drei Mönche in den Saal gezerrt und vor dem Papst zu Boden gestoßen, der bis zu diesem Moment abseits und ungewöhnlich still dagesessen hatte. Sie sah den Papst mit fragendem Blick an, und als sie Zustimmung aus dem seinen las, stand Vannozza auf und flüsterte Cesare etwas ins Ohr. Dieser lächelte triumphierend.
»Schämt euch!«, schrie er die drei Mönche an. »Mit eurer Wollust habt ihr dieses Haus vergiftet – in Anwesenheit unseres Heiligen Vaters!«
Stühle wurden gerückt, und die Gespräche verstummten, als Cesare Borgia seine Espada Ropera zückte und auf die Unglückseligen zuging.
»Als Strafe und einziger Weg zur Absolution«, schrie er mit der Stimme eines Betrunkenen, »wiederholt ihr hier und jetzt, was ihr im Weinberg getrieben habt!«
Die bebenden Mönche küssten die päpstlichen Füße und baten mit Tränen in den Augen um Vergebung. Alexander versetzte ihnen ein paar Tritte und streckte seine Beine unter dem Tisch aus. Die unschuldigen Gesichter der Mönche und ihre dünnen, flehend erhobenen Ärmchen stachelten Cesares Lust noch zusätzlich an. Er befahl dem Zeremonienmeister, die Diener hinauszuschicken, die Türen zu schließen und alle Kerzen zu löschen. Dann sollte er auf einen Befehl von Madonna Vannozza warten.
»Jetzt seid ihr in der Dunkelheit, wie in einem Beichtstuhl«, rief er fröhlich. »Nur Gott kann euch sehen und nur, wenn ihr Ihm eure Sünden zeigt, kann euch sein Stellvertreter auf Erden Absolution erteilen.«
Die lautlose Orgie begann – von erregtem Geflüster und anzüglichem Kichern der Anwesenden umrahmt. Das Keuchen der drei wurde immer eindeutiger, die Stille der Gäste ebenso, bis ein erregtes Stöhnen das Ende bezeugte. An diesem Punkt öffnete Vannozza einen schweren dunklen Vorhang, hinter dem eine vergoldete Figur der Jungfrau Maria in einem gläsernen Schaukasten glänzte, der von zwanzig Kerzen erleuchtet war. Die jungen Mönche lagen auf dem Boden, mit aufgeschlitzten Bäuchen und blutüberströmt. Das unerwartete Ende im vermeintlich schönsten Moment hatte ihre Gesichter zu grotesken Totenmasken verzerrt. Mit dem blutigen Schwert in der Hand stellte Cesare einen Fuß auf sie.
»Sie haben gesündigt und sind bestraft worden, Gott hat triumphiert.«
Tosender Applaus empfing seine Worte, und die Vision des Infernos entfesselte eine wilde und unkontrollierbare Leidenschaft. Vannozza zog die Vorhänge wieder zu und tauchte den Saal in absolute Dunkelheit.
Ein Mann stand vom Tisch auf, nachdem er sich von einer Kurtisane befreit hatte, die ihm unbedingt die Beinkleider öffnen wollte und erfolglos versucht hatte, an seinen
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