Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)
Kardinal de’ Medici gesandt, woraufhin dieser ihm nur kurz und bündig befohlen hatte, sich unverzüglich im Palazzo der Familie Colonna einzufinden. Eine offenere Bedrohung für Leonoras Leben gab es nicht, las Ferruccio aus dieser Antwort.
Als die Glocke des Slawenhospitals zwölfmal schlug, erwartete Gabriel ihn bereits auf der Straße. Er hatte einen Beutel voller Pfirsiche und Haselnüsse bei sich.
»Nimm die hier, Ferruccio, die sind am besten und so süß, dass sie garantiert gegen Sauertöpfigkeit wirken.«
Die Anwesenheit dieses Burschen war in den letzten Wochen zu einer tröstlichen Abwechslung für ihn geworden, die einzige, die Ferruccio ein wenig von seiner Melancholie ablenkte. Er hatte Gabriels gute Laune und seine Zurückhaltung zu schätzen gelernt, die ihn im richtigen Moment schweigen oder sprechen hieß. Ferruccio probierte den angebotenen Pfirsich und genoss das saftige und süße Fruchtfleisch. Er wollte den Kern gerade wegwerfen, als Gabriel ihn ihm aus der Hand nahm.
»Warte, das hier kennst du nicht.«
Mit seinem Messer öffnete Gabriel den Kern wie eine Auster, nahm die darin enthaltene Mandel heraus, entfernte die Haut und bot sie Ferruccio an.
»Probiere sie. Sie ist giftig und hilft gerade deshalb gegen Gift. Hier in Rom wissen alle, dass die Jünglinge sie sammeln und jede Mandel für einen Heller verkaufen. Ich habe schon drei Stück geschafft, aber es ist besser, du beginnst mit einer.«
Mit seinen Schneidezähnen knabberte Ferruccio ein Stückchen ab und probierte das Innere des Pfirsichkerns: Es schmeckte nach Mandel, aber bitterer.
»Dein Gift werde ich nicht kaufen , aber wenn es gratis ist, dann nehme ich es jeden Tag«, sagte Ferruccio.
Gabriel grinste. »Auf keinen Fall. Du stopfst schon genug in dich hinein, ich werde dir keine mehr geben. Eher schenke ich sie unserem Heiligen Vater.«
»Ich habe meine Sachen gepackt«, antwortete ihm Ferruccio brüsk, »aber wenn du möchtest, kannst du in meinen Diensten bleiben.«
»Aber bitte zwingt mich nicht aus Rom wegzugehen, Exzellenz; ich könnte daran sterben.«
»Wolltest du nicht zu den Colonna, als wir uns kennenlernten? Damals, am Tage der Ermordung des Herzogs?«
»Ich erinnere mich eher an die Pisse, die du über mir ausleertest, als an den Mord.«
Gabriel sah, wie sich der ernste Gesichtsausdruck Ferruccios in ein entschuldigendes Grinsen verwandelte.
»Es gibt verschiedene Wege sich kennenzulernen – und ich habe den schlechtest möglichen gewählt.«
»Daran zweifle ich nicht, wenn ich den schwarzen Zwirn sehe, in den du dich kleidest. Aber ich werde auch gar nicht weiter in dich dringen. Du willst also wirklich beim Fürsten Colonna vorstellig werden? Dem größten Widersacher der Borgias? Weißt du, er genießt kein besonders hohes Ansehen. Und wenn du einmal dort hingehst, bist du für immer als Feind des Papstes gebrandmarkt – außer sie jagen dich mit einem Dolch im Rücken davon.«
»Gabriel, dein Sold bleibt der gleiche.«
»Dann, mein Herr, nehme ich an, und ich spreche auch für meinen Spieß.«
Sie standen vor dem hohen Säulengang des Colonna-Palazzos. Dahinter türmten sich die antiken Reste des Serapis-Tempels wie Riesen auf. Vor einem sechs Spannen hohen Eisentor lungerten Banden herum, die auf den ersten Blick allerdings eher wie Halunken als wie Soldaten aussahen. Um im Falle eines Falles einen schnellen Rückzug zu ermöglichen, stand das Tor immer halb offen. Einige der Männer trugen schwere Schwerter auf ihren Rücken; andere waren mit großen zweischneidigen Streitäxten bewaffnet. Wieder andere zogen Kurzschwerter und Lanzen vor, aber jeder hatte das Krummschwert an seiner Seite, wie es die Türken zu tun pflegten, und sie alle trugen ein rotes, im Nacken verknotetes Kopftuch.
»Im Kampf ist das ihr Erkennungszeichen«, bemerkte Gabriel.
Als sie näher kamen, baute sich ein Mann vor ihnen auf, der ein Wehrgehänge aus dickem Leder trug, auf dem das silberne Wappen der Colonna – die Säule – glänzte. Dicht hinter ihm standen zwei weitere Männer. Sie traten entschieden, aber nicht feindselig auf.
»Fürst Fabrizio erwartet mich.« Die rechte Hand rutschte von der Parierstange. »Mein Name lautet de Mola.«
Der Mann sah Ferruccio von oben bis unten an. »Der Fürst erwartet Euch seit Tagen. Morgen hätten wir begonnen, Euch zu suchen. Und wer ist das?«
»Gabriel, mein treuer Knappe.«
»Ihr seid für ihn verantwortlich.« Der Mann machte eine Geste, um sie
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