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Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition)

Titel: Das Vermächtnis des Ketzers: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Adolfo Martigli
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ist. Aber es ist auch wahr, dass niemand, auch keiner der Philosophen, je darüber sprach. Die Furcht davor kann zuweilen völliger Unwissenheit, zuweilen größter Vorsicht entspringen.«
    »Die Furcht ist eine sehr ansteckende Krankheit«, sagte Ada Ta, »schlimmer noch als die Pest …«
    Osman versuchte etwas zu sagen, aber seine Worte blieben ihm im Halse stecken. Er räusperte sich und musste dann husten.
    »… der heiser mir, von langem Schweigen däuchte …«, sagte der Poet.
    »Alighieri«, kommentierte Leonardo. »Vielleicht wollte unser Freund etwas erzählen, das ihm schon seit langer Zeit im Halse steckt.«
    Sichtbar erschüttert erhob sich der Türke und berührte hastig Herz, Lippen und Stirn.
    » Salam alaikum .«
    » Alaikum salam «, entgegnete Leonardo.
    Nach ein paar Schritten blieb Osman stehen.
    »Wie endet die Geschichte Īsās?«
    »Wenn wir wieder festen Boden unter den Füßen haben, werde ich mit meiner Erzählung fortfahren. Ich würde mich freuen, wenn auch du da sein würdest, so oft, wie du es willst.«
    Die Stimme Gua Lis drang in ihn hinein wie ein Dolchstoß in seinen Leib, aber ohne Schmerzen zu bereiten. Osman musste erst einmal Luft holen, bevor er fähig war zu antworten.
    »Ich werde da sein und meine Schritte, wenn auch hinkend, werden von Allah gelenkt sein.«
    Er vergewisserte sich, dass ihm niemand folgte, und ging unter Deck. Zwischen Tauen und Jutesäcken bahnte er sich einen Weg und blieb vor der Kiste stehen, in der die Teppiche lagerten. Er legte seine Ohren an sie, in der Hoffnung, nur das Knirschen des Holzes zu hören. Stattdessen waren jedoch die deutlichen Geräusche der Nager zu vernehmen. Der Tod lebte, und er, der sein Überbringer war, weinte.

23
    Rom, 15. Juli 1497, Petersbasilika
    Manchmal geschieht es, dass man keinen Schlaf mehr findet, weil die Müdigkeit zu groß ist. Und die Sorge, keine Erholung zu finden, vergrößert die Qual der Schlaflosigkeit nur noch weiter. So fühlte sich Pierantonio Carnesecchi, als er die Petersbasilika vor sich auftauchen sah. Er verspürte dabei keinerlei Erleichterung, obwohl er so lange darauf gewartet hatte. Carnesecchi stieg ab und übergab sein Ross dem Knappen, mit dem er auf der langen Reise von Florenz nach Rom nur ein paar Worte gewechselt hatte. Carnesecchi wusste lediglich seinen Namen, Ulrich, und dass er aus der Schweiz kam. Mit seinem dichten Bart, der die beiden tiefen Narben in seinem Gesicht verdeckte, ähnelte dieser Ulrich allerdings so gar nicht einem Knappen.
    Wahrscheinlich war er ein gedungener Mörder, den Kardinal de’ Medici ihm zur Seite gestellt hatte, um ihn zu beschützen. Oder um ihm an die Gurgel zu gehen, wenn er in dieser Mission Schwäche zeigen würde. In den vier Nächten, die er mit Ulrich verbracht hatte, hatte er mehr um sein Leben gefürchtet als in den ganzen letzten Monaten, in denen er sich vor den Piagnoni oder seinem Bruder hatte in Acht nehmen müssen, die nun in den Diensten Savonarolas standen.
    »Warte hier auf mich!«, befahl er.
    Ulrich grunzte zustimmend – mehr als das war aus ihm nicht herauszuholen. Carnesecchi stieg die Stufen zur Basilika empor, schritt durch das zentrale Portal und betrat das große Atrium, das voller Pilger war. Morgens hatten die Mönche aus Anguillara ihm zwar ein sauberes Hemd gegeben, aber der Schweiß und der Staub der Via Clodia ließen ihn nun wie einen verschwitzten Bettler aussehen, der an den kühlen Marmorsäulen ein wenig Erfrischung suchte. Er labte sich an dem Wasser, das aus der enormen Bronzepinie sprudelte, die in der Mitte des Atriums stand, und ging in Richtung Guidoniaportal, an dem zwei erhitzte Soldaten lehnten, die die durchströmenden Pilger mit geringschätzigen Blicken bedachten.
    Im Inneren der Basilika war die Luft kühler, und als Carnesecchi beobachtete, dass viele Mönche barfuß unterwegs waren, verspürte er den Drang, es ihnen gleichzutun und den kühlenden Porphyr und Schlangenstein unter den Fußsohlen zu spüren. Er blieb vor der marmornen Ädikula stehen, in deren Mitte ein goldener Lüster hing, der einer Krone nachempfunden war. Carnesecchi lehnte sich an eine der vier Säulen und zog, wie es ihm der Kardinal befohlen hatte, ein blaues Tüchlein hervor. Er holte tief Luft: Nun hing es nicht mehr von ihm ab, ob der Papst ihn empfangen würde oder nicht. Von Weitem konnte er eine tiefe Stimme hören, die von einem Knabenchor begleitet wurde. Er drehte sich zum Eingang um, konnte jedoch nichts ausmachen;

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