Das Vermächtnis des Martí Barbany
Sklavin, hat mein Vertrauen enttäuscht und missbraucht.
Ich mache dich nicht für das verantwortlich, was geschehen ist, dafür bist du noch zu jung. Die Sklavin hat dieses bezaubernde Köpfchen, das ich anbete und das mir bisher nur Freude bereitet hatte, mit ihren frevelhaften Künsten benebelt.«
»Es tut mir leid, aber Ihr seid im Unrecht. Sie war meine Freude, meine Gesellschaft und mein Schutz, eine Zuflucht, die mir seit dem Tod meiner Mutter gefehlt hatte, und Ihr habt sie von mir getrennt.«
»Du hast es mir zwar nicht leicht gemacht, weil du dich weigerst, mir zu sagen, wo du dich mit diesem Mann getroffen hast, aber du wirst nicht leugnen, dass deine Sklavin die Kupplerin war, dass man sie arglistig und zu diesem einzigen Zweck bei dir untergebracht hat und ihre schöne Stimme und ihre lieblichen Lieder als Deckmantel gedient haben.«
Laia hörte aus dieser Antwort eine leicht veränderte Haltung heraus, und obwohl sie ihre Freundin verteidigte, bemühte sie sich, ihren Stiefvater nicht zu provozieren.
»Ich habe Martí auf dem Sklavenmarkt kennengelernt, und damit hatte Aixa nichts zu tun, denn an diesem Tag hat man sie versteigert. Es geht um etwas anderes: Ihr weigert Euch, anzuerkennen, dass ich herangewachsen und kein kleines Mädchen mehr bin.«
Die Stimme des Ratgebers bekam einen ironischen Ton.
»Gerade das behaupte ich ja. Kein Zweifel, du bist herangewachsen: Du bist schon eine Frau. Aber kommen wir zu der Sache mit den Briefen. Soll ich etwa glauben, dass die Briefe, die du in dem Kästchen verwahrt hast, dieses Haus im Fluge erreicht haben? Ich bereue es, weil ich daran schuld bin und zugelassen habe, dass sich Aixa in unser Leben eingemischt hat. Ich habe von ihr keinen Dank erhalten, vielmehr hat sie mir wie ein Skorpion einen heimtückischen Stich ins Herz versetzt, weil sie auf die Anweisungen ihres früheren Herrn hörte. Sag also, wer hat dir als Bote gedient?«
Mit bebender Stimme entgegnete Laia: »Ich weigere mich, zu verraten, wie die Briefe zu mir gelangt sind. Dazu sage ich Euch nur, dass Aixa nichts damit zu tun hatte.«
»Gib acht, Laia. Was ich nicht ertrage, ist, dass mich jemand als Dummkopf behandelt und meinen Verstand gering schätzt. Dieses törichte Mädchen hat dir als Botin gedient, und du bist wie eine unerfahrene Gans in die Falle gegangen. Aber ich will den Fehltritt vergessen. Dank meiner Liebe zu dir und meiner Großmut soll keine Rede mehr
von dieser ärgerlichen Angelegenheit sein.« Bernat Montcusí sprach in einem sanften Ton und blickte seine Stieftochter zärtlich an. »Ich schlage dir noch einmal vor, dass du einwilligst, meine Frau zu werden.«
»Einen solchen Unsinn lehne ich ab!«
Schlagartig änderte sich der Ton des Mannes.
»Ich kann dich zwingen!«
Laia stand auf. Ihr Körper zitterte vor Zorn und Angst.
»Eher stürze ich mich von einer Zinne des Turms!«, rief sie.
»Ich kann Mittel gebrauchen, um dich zu überzeugen.«
»Vergeudet nicht Eure Zeit. Es ist leichter, dass die Sonne am Himmel verglüht, als dass Ihr mich bekommt.«
»Ich bin kein Zauberer. Meine Mittel sind allein von dieser Welt.«
»Dann sagt mir, was Ihr tun wollt.«
Der Ratgeber des Grafen ließ eine lange und wohlberechnete Pause eintreten, in der Laia, einem wortlosen Befehl ihres Stiefvaters gehorchend, wieder Platz nahm. Dann sprach Bernat Montcusí mit langsamer und völlig ungerührter Stimme.
»Ich erkläre dir, was ich tun will. Ich lasse Aixa in deiner Gegenwart die Haut abziehen. Du kennst mich genau und weißt, dass ich halte, was ich verspreche.«
Laia fand keine Worte.
»Damit du meine Frau wirst, ist deine Zustimmung notwendig, aber nicht, damit du meine Beischläferin wirst. Du bist schon eine Frau, wie du richtig sagst, also weißt du ja, was dazugehört. In irgendeiner Nacht, wann es mir gefällt, wirst du mich in deinem Bett empfangen.«
Laia schüttelte lediglich den Kopf und starrte ins Leere.
Der Prohom stand rasch auf.
»Folge mir!«
Er kam mühsam hinter seinem Tisch hervor und ging mit langen Schritten zur Tür.
Beinahe ohne zu wissen, was sie tat, ging Laia hinter ihm her.
Als sich die Tür öffnete, erhob sich die auf einer Bank sitzende Anstandsdame beunruhigt. Bernat schnaufte wie ein Basilisk und rannte, von dem Mädchen gefolgt, wie ein Wirbelwind durch die Zimmer, die ihn von der Wendeltreppe zu den Kellerräumen des Gebäudes trennten. Vor ihr stand ein bewaffneter Wächter. Mit einer heftigen Geste schob der Ratgeber
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