Das Vermächtnis des Martí Barbany
Famagusta.«
»Dann brauchen wir nichts weiter zu besprechen. Entschuldigt mich jetzt, ich muss an Land gehen: Ich muss mein Schiff mit Pökelfleisch, Zwieback und anderem Proviant versorgen, und ich will die Verladung persönlich beaufsichtigen. Die Zyprioten sind nicht nur geschickte Kaufleute, sondern auch große Schlauberger, weil sie sich daran gewöhnt haben, sich unter dem Joch aller Völker zu behaupten, die ihr Land besetzt hatten. Sobald sie können, hauen sie einen übers Ohr.«
»Mich erwartet eine Schaluppe, und am Strand steht ein Wagen für mich. Wenn es Euch recht ist, könnten wir die Fahrt bis Famagusta gemeinsam machen. Dann fahre ich nach Pelendri weiter.«
»Damit tut Ihr mir einen Gefallen.«
51
Die Zelle
L aia konnte immer noch nicht ganz an die Drohung ihres Stiefvaters glauben. Sie wusste, dass er habgierig und jähzornig war und dass er nicht die Gunsterweise verdiente, mit denen ihn der Graf auszeichnete. Aber niemals hätte sie sich vorgestellt, dass der Mann, den ihre Mutter geliebt hatte, einer derartigen Schandtat fähig wäre. Aixa war aus ihrem Leben verschwunden, und sie vermutete, dass man sie auf eines der vielen Landgüter ihres Vormunds geschickt hatte, um sie von ihr zu trennen und ihr so die Verbindung nach draußen unmöglich zu machen. Man hatte ihr eine neue Dienerin gegeben, die ihrem Stiefvater uneingeschränkt ergeben war. Ein paar Fingerknöchel berührten leicht ihre Schlafzimmertür und unterbrachen ihre Gedanken.
»Herein.«
In der Türöffnung erschien das strenge und griesgrämige Gesicht der Anstandsdame, die nun die früher von ihrer treuen und heiß geliebten Aixa erledigten Arbeiten übernommen hatte.
Die Frau betrat das Zimmer und stellte ein Tablett auf den Tisch. Darauf standen ein Suppennapf, ein Teller mit köstlichem Hasenklein und ein Kirschkuchen, der bisher ihre Lieblingsspeise gewesen war.
»Ihr sollt in Eurem Zimmer essen. Das hat der Herr angewiesen. Haltet Euch danach bereit, weil Euer Vater Euch in seinem Arbeitszimmer sehen möchte.«
Die mürrische Anstandsdame verschwand, ohne auf eine Antwort zu warten, weil sie es für selbstverständlich hielt, dass man die Anweisungen des Herrn nicht infrage stellte und dass man sie nicht kommentieren musste.
Laia rührte das Essen kaum an und wartete. Edelmunda, so hieß ihre Wärterin, holte sie nach einer Weile ab.
»Seid Ihr bereit? Ihr wisst ja, dass es Don Bernat nicht gefällt, wenn man ihn warten lässt.«
Laia stand auf und nickte.
»Dann folgt mir. Ich muss Euch zum Arbeitszimmer persönlich begleiten.«
»Soll ich denken, dass ich eine Gefangene in meinem eigenen Haus bin?«
»Ich führe lediglich die Anweisungen aus, die man mir erteilt hat. Wenn Ihr nicht die liebevolle Behandlung und das Vertrauen Eures Vaters missbraucht hättet, wäre jedenfalls nichts Derartiges geschehen.«
Die beiden Frauen gingen durch mehrere Räume und lange Flure, bis sie zu Bernat Montcusís Arbeitszimmer kamen.
Die Anstandsdame klopfte an der Tür und bat, eintreten zu dürfen.
»Don Bernat, hier ist Eure Tochter, wie Ihr befohlen habt.«
Von innen erklang die raue Stimme des Ratgebers.
»Lass sie herein und warte auf dem Gang, damit du sie zu ihren Zimmern begleiten kannst, wenn wir fertig sind.«
Die Anstandsdame gab dem Mädchen zu verstehen, dass sie eintreten solle. Laia ging ins Zimmer und wartete ängstlich, dass ihr Stiefvater sie anwies. Er kümmerte sich nicht um ihre Anwesenheit und schrieb weiter an einem Dokument mit einer rot gefärbten Gänsefeder, die er hin und wieder in das vor ihm stehende Tintenfass eintauchte. Nach einer langen Zeit streute er Sand auf das Pergament und blickte zugleich hoch, als hätte er erst in diesem Moment bemerkt, dass sie da war. Mit unerwartet liebenswürdiger Stimme sagte er: »Ach, aber da bist du ja! Komm näher und nimm Platz, Mädchen. Bleib nicht an der Tür stehen.«
Laia ging zum Tisch und setzte sich auf den gewohnten Stuhl.
»Erzähl mir, wie es dir geht.«
Der Ton und das Thema stimmten nicht mit dem überein, was Laia vermutet hatte. Sie wollte den Alten nicht erzürnen und antwortete ruhig: »Ich habe nichts zu erzählen. Ihr kennt mein Leben bis zum Letzten, und es ist gewiss ziemlich langweilig. Außerdem habt Ihr mir den einzigen Menschen entrissen, der meine Tage erfreute und mich glücklich machte.«
Montcusí bewahrte Ruhe.
»Ich muss über dich wachen, Laia. Diese Person, die eigentlich gar keine ist, sondern eine
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