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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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für jeden Adligen sind, so ehrgeizig er auch sein mag. Missbraucht nicht die Großmut Eures Vaters, denn der Strick reißt immer an der schwächsten Stelle.«
    »Merkt Ihr es? Ihr wollt mich verbannen, und Ihr droht mir! Sagt mir denn: Wer wird Barcelona und Gerona erben? Eure Zwillinge... Oder genauer gesagt, Euer Liebling, also kein anderer als Ramón, natürlich. Ihr wollt meine Rechte auf die niederträchtigste Weise mit Füßen treten, um einen von Euren Bastarden zu begünstigen.«
    »Ich erlaube nicht, dass Ihr so von Eurem Bruder redet!«
    »Was erlaubt Ihr mir nicht, Herrin? Dass ich die Lage, zu der Euer sündiges Leben geführt hat, mit dem richtigen Wort bezeichne? Ich habe gehört, dass Kinder, die man außerhalb der Ehe mit einer Beischläferin hat, Bastarde sind. Den Begriff habe nicht ich erfunden. Bedenkt, dass ich das edle Blut meines Vaters geachtet und ihm zu Ehren nicht von Kindern gesprochen habe, die im Ehebruch gezeugt wurden.«
    »Verschwindet mir aus den Augen, oder ich lasse Euch von der Wache mit Klingenhieben hinauswerfen!«
    Die Wortwechsel, die der Charakter des Erstgeborenen ihres Gemahls herausforderte, gingen ständig weiter. Die auf dem Grafenpaar lastende Exkommunikation hatte verhindert, dass es zu der von Almodis erträumten Hochzeit kam. Der offene Widerstand der Großmutter Ramón Berenguers hatte dazu beigetragen. Sobald die Hofleute den Sturm vorausahnten, stellten sie sich taub, ohne sich offen für die eine oder andere Seite zu entscheiden, denn keiner wusste, was die Zukunft bringen mochte, und darum wollte sich keiner bloßstellen. Gräfin Almodis hatte nur drei zuverlässige Verbündete: den Zwerg Delfín, ihre Dame Lionor
und ihren Beichtvater, Pater Llobet, der meinte, wenn der Erstgeborene eines Tages die Herrschaft übernähme, würde die Grafschaft Barcelona von schlimmen Zeiten heimgesucht werden.
    »Jeden Tag fürchte ich, dass unsere Herrin von einer Katastrophe getroffen wird.«
    Das sagte Lionor. Delfín hörte ihr zu. Er saß auf einer Treppenstufe, wobei er aus einem Holzstück die Figur eines Pferdchens herausschnitzte, die er den kleinen Grafen schenken wollte.
    »Ich weiß nicht, wann, aber ich weiß, dass es eines Tages in diesen Mauern zu einem Drama kommt.«
    »Ist das eine Vorahnung oder nur eine Ansicht?«
    »Früher war es ein Vorgefühl, und jetzt ist es eine Gewissheit.«
    »Weiß es unsere Herrin?«
    »Schon bevor die kleinen Grafen geboren wurden.«
    »Das ist schrecklich.«
    »Noch schlimmer. Im Schloss wird ein großes Unglück geschehen, doch ein weitaus größeres wird über die Grafschaft hereinbrechen, sodass Tage voller Feuer und Tränen kommen.«
    »Und Ihr tut nichts, um ein solches Unglück abzuwenden?«
    »Niemand kann etwas tun. Es geschieht, was geschehen muss.«
    »Es fällt mir schwer, an Vorzeichen zu glauben.«
    »Warum glaubt Ihr dann an die Propheten des Alten Testaments?«
    »Weil es mir die heilige Mutter Kirche befiehlt.«
    Delfín schüttelte sich die Holzspäne von den Beinchen ab und sprang von seinem improvisierten Sitz hinunter.
    »Jeder mag es mit seinem Glauben halten, wie er will, aber denkt daran, dass das, was ich Euch sage, so sicher ist wie die Tatsache, dass Ihr hier mit mir redet. Ich sage es Euch noch einmal: Es werden schreckliche Zeiten kommen, und Ihr und ich, wir bleiben zusammen. Der einzige Unterschied wird sein, dass wir den Herrn wechseln.«
    »Weiß das die gnädige Herrin?«
    »Wenn ich es gewagt hätte, so etwas zu erzählen, könnte ich mich nicht mehr hier mit Euch unterhalten.«

64
    Erneuerte Liebesbande
     
    P ater Llobet befand sich an diesem Oktobermorgen im Skriptorium der Kathedrale, prüfte alte Handschriften und unterhielt sich mit den Brüdern, die sich der Aufgabe widmeten, die Bestände der bedeutenden Bibliothek der Pia Almoina zu erweitern. Eine Gruppe fachkundiger Geistlicher beschäftigte sich mit allen Obliegenheiten. An einer Seite bearbeiteten zwei Brüder, die die Tätigkeit des Percamenarius ausübten, die Schafs- und Ziegenhäute. Der eine tauchte sie in eine Kalklauge, damit er Schmutz und Haarreste des Tieres entfernen konnte, und nachdem er sie eingeweicht hatte, spannte der andere sie in einen Rahmen aus sehr hartem Holz und rieb sie mit Bimsstein ab, um sie geschmeidig zu machen. Danach kam ein komplizierter Arbeitsprozess, der den Stoff in Pergament verwandelte. Aus ihm stellte man die Bogen her, auf denen ein Schreiber später die waagerechten Leitlinien ziehen

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