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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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fuhren im zweiten Wagen, und zwei Männer der Eskorte schlossen den Zug ab. Auf halbem Weg übernachteten sie im Haus eines Verwandten Montcusís, und am Morgen erreichten sie das befestigte Gehöft in der Nähe von Terrassa. Man wies Laia ein Zimmer in einem Turm an, in dem bisher Don Fabià von Claramunt, der Burghauptmann, mit seiner Familie gelebt hatte, die nun in ein anderes Nebengebäude umziehen mussten. Tatsächlich fühlte sich Laia hier freier als in ihrem vorherigen Gefängnis, obwohl man ihr vorläufig nicht erlaubte, Aixa zu besuchen. Ihre Qualen begannen, wenn es Nacht wurde. Dann irrte ihr Geist zügellos umher und gelangte in Schrecken erregende Regionen. Dort sah sie wieder, wie dieser lüsterne Satyr über sie herfiel und wie sie kleine Ungeheuer gebar, die Kröten glichen und aus ihrem Schoß krochen. Wenn sie ihren persönlichen Dämonen entkommen wollte, musste sie sogleich aus dem Bett springen und an den Turmzinnen umherlaufen, wie sie es schon in Sallent getan hatte.
    Edelmunda erinnerte sie jeden Tag beim Mittag- und Abendessen daran, dass Aixas Leben davon abhing, was sie tat. Schließlich nahm sie all ihre schwachen Kräfte zusammen, und als man ihr die Speisen auftischte, die der Arzt verordnet hatte, herrschte sie die Anstandsdame an: »Ich glaube nicht, dass Aixa noch lebt. Wenn ich sie nicht gleich morgen sehen kann, weigere ich mich, einen Bissen zu essen.«
    Fabià von Claramunt, der Festungsverwalter, erschien am Abend im Turm. Nach einem kalten und vorschriftsmäßigen Gruß kam er zum Thema.
    »Man hat mir mitgeteilt, dass Ihr Euch weigert zu essen, wenn Ihr Euch nicht vom Zustand der Gefangenen überzeugt. Nach den Anweisungen, die ich erhalten habe, würde das die Dinge verschlimmern.«
    »Damit ich mich anders verhalte, muss ich mich tatsächlich persönlich überzeugen, dass Aixa weiter am Leben ist.«

    »Ich glaube, ich kann Euch diesen Gefallen tun. Trotzdem muss ich überprüfen, ob dies nicht meiner Verantwortung widerspricht. Seid so liebenswürdig und folgt mir.«
    Laia stand auf. Die Anstandsdame erhob sich ebenfalls.
    »Doña Edelmunda«, befahl Fabià, »ich entbinde Euch von Eurer Pflicht. Von diesem Augenblick an übernehme ich die Verantwortung, bis Euer Schützling in seine Zimmer zurückkehrt.«
    Die Anstandsdame hatte nichts einzuwenden, die Entscheidung des Verwalters erleichterte sie vielmehr.
    Fabià von Claramunt brachte Laia ins Erdgeschoss, und dort ging er zu einem kleinen Raum neben dem Platz weiter, wo die Wache nach der Ablösung ausruhte. Laia wunderte sich über diesen Weg, denn sie stellte sich vor, dass sich die Kerkerzellen wie üblich im Keller befanden. Don Fabià sprach mit dem Hauptmann, der die kleine Wachabteilung anführte, und dieser gab ihm sogleich ein Schlüsselbund.
    Der Verwalter nahm einen der Schlüssel vom Ring. Damit öffnete er eine kleine, mit Eisenbeschlägen verstärkte Tür und forderte das Mädchen auf, hindurchzugehen.
    In dem kleinen Zimmer gab es nur eine Holzbank gegenüber der hinteren Wand. Auf einen Wink des Burghauptmanns setzte sich Laia.
    Die Stimme des Mannes klang unbeteiligt.
    »Herrin, ich habe nichts damit zu tun. Meine Anweisungen lauten, ich soll dafür sorgen, dass Ihr Euch von dem überzeugen könnt, woran Ihr offenbar zweifelt. Das heißt allerdings nicht, dass ich Euch gestatten soll, mit der Gefangenen zu sprechen. Ich habe Frau und Kinder, und ich möchte nicht in Schwierigkeiten geraten. Darum bitte ich Euch, mir keine Probleme zu bereiten. Wenn Ihr Euch so verhaltet, werden wir Freunde, und ich werde mich bemühen, Euch den Aufenthalt bei uns erträglicher zu machen. Andernfalls zwingt Ihr mich, meine Pflicht auf andere Art zu erfüllen.«
    Zunächst verstand Laia nicht, was der Mann sagen wollte, doch als sie dann die Taktik durchschaute, dachte sie, es wäre besser, einen Verbündeten zu gewinnen.
    Fabià von Claramunt bückte sich vor ihr und zog ein Eisenstück aus der Mauer. Dann schaute er durch das Loch, das sich im oberen Winkel der Decke der im Keller gelegenen Zelle öffnete, und forderte Laia danach auf, das Gleiche zu tun.
    Auf einer Steinbank, in ein Tuch gehüllt, lag eine Frau. Es fiel Laia
schwer, Aixas Gesicht wiederzuerkennen. Sie hatte einen abwesenden, unbeweglichen Blick. Auf einem Tablett neben ihr standen ein Teller mit Brei und ein kleiner Wasserkrug, daneben lagen eine Möhre und ein Ziegenkäse.
    Wieder erklang die Stimme des Mannes.
    »Sie bekommt zu essen, wenn Ihr es

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