Das Vermächtnis des Martí Barbany
machen: Jeder hat seinen Preis, und wenn er keinen hat, ist er nichts wert. Man muss nur den richtigen finden.«
»Und was soll die Belohnung für diese neue Niedertracht sein? Denn so muss man es nennen, wenn man einen guten Menschen betrügt.«
»Es wird keinen Betrug geben: Martí wird dich in deiner Lage annehmen und keine Fragen stellen. Er weiß schon, dass der Mann, der den Frevel begangen hat, einen so hohen Rang am Hof einnimmt, dass du ihm nie sagen darfst, wer es war, denn seine Rache würde alle treffen. Erzähle ihm, dass du eine Fehlgeburt hattest, was ja gewissermaßen auch stimmt.«
Eine ganze Gedankenflut suchte Laias Geist heim. Welche heimtückische Absicht verfolgte Montcusí mit seinem Vorschlag?
»Was soll ich sonst noch tun oder nicht tun? Welche Bedingungen gibt es für diesen Handel?«
»Du bist mir etwas schuldig. Deinetwegen, denn was geschehen ist, kommt daher, wie du mich in deinem Bett empfangen hast, habe ich einen Erben verloren, dessen Vater und zugleich Großvater ich war. Wenn man guten Ton auf die Töpferscheibe legt und sich der Handwerker nicht bemüht, ihn sorgfältig zu verarbeiten, braucht man sich nicht zu wundern, wenn eine schadhafte Amphore herauskommt. Deshalb mache ich dich für das Scheitern unserer Beziehung verantwortlich: Du hast meine Zuneigung zerstört, und meine leidenschaftliche Liebe zu dir ist erkaltet. Außerdem, welcher Mann würde eine Frau mit deinem Aussehen begehren? Hast du dich einmal im Spiegel angesehen? Und dazu
habe ich üble Erinnerungen an dich – es war, als hätte ich bei einer Marmorstatue gelegen. Du hast nichts beigetragen, obwohl du die Gefühle kanntest, die ich in meinem Herzen empfand. Es überläuft mich kalt, wenn ich daran denke, dass ich dir sogar die Ehe vorgeschlagen habe.«
Angesichts des Zynismus dieses Mannes empfand Laia Übelkeit, doch sie beherrschte sich und sagte nichts. Wieder erklang die Stimme ihres Stiefvaters.
»Wie du sicher verstehst, wird die verdammte Sklavin als Bürgschaft für unseren Pakt dienen. In einem anderen Haus halte ich sie hinter Schloss und Riegel. Du wirst von ihr hören, aber wenn du mir die kleinste Sorge machst, kannst du dir vorstellen, was mit ihr geschieht. Übrigens, wenn du nichts tust, um dich zu erholen, und wenn du weiter hartnäckig fastest, erleidet deine Freundin das gleiche Schicksal. Für die Hochzeit musst du schön sein: Wenn ich eine schlecht ernährte Stute auf den Markt bringe, wird keiner sie kaufen.«
Laia überging die Beleidigung und sagte: »Wie kann ich wissen, dass Aixa lebt?«
»Du hast mein Wort.«
»Das genügt mir nicht. Ich will sie sehen.«
Montcusí schien nachzudenken.
»Gut. In ein paar Wochen, wenn es dir besser geht, lasse ich dich in ein schönes Bauerngut nahe bei Terrassa bringen, ein großzügiges Geschenk, mit dem Graf Ramón Berenguer und Gräfin Almodis meine Mühen und meine Treue belohnt haben. Dort habe ich sie eingesperrt. Du darfst sie sehen, aber es soll dir nur ja nicht einfallen zu verraten, dass du ein Kind geboren hast, und wenn du in der nötigen Zeit dieses Aussehen einer Hexe aufgibst, wenn du zunimmst und vorzeigbar bist, lasse ich dich nach Barcelona bringen, und dort wird alles für deine Hochzeit bereit sein.«
Es fiel dem getrübten Geist des Mädchens schwer, all das zu verarbeiten. Ihr einziger Trost war, dass ihre geliebte Aixa lebte, selbst wenn sie im Kerker von Terrassa eingesperrt war. Und der einzige Vorteil ihrer Lage bestand darin, dass ihr Stiefvater sie endgültig in Ruhe lassen würde. Was nun Martí betraf, so liebte sie ihn zwar weiter inbrünstig, doch sie hielt sich seiner für unwürdig und wollte sich ihm gegenüber deutlich genug äußern, damit er verstand, dass ein gemeinsames Leben unmöglich war: Sie fühlte sich vollkommen unfähig, auch nur an die Möglichkeit zu denken, dass jemand ihren Körper berührte.
Nach dem Gespräch mit ihrem Stiefvater verstrich ein Monat. Bevor sie an einem Abend schlafen ging, teilte ihr Edelmunda mit, dass sie am nächsten Montagmorgen nach Terrassa abreisen würden.
Wieder waren sie unterwegs. Eine Eskorte, die diesmal aus einem Hauptmann und sechs Soldaten bestand, ritt den beiden Wagen voraus. Im ersten saß Laia und ihr gegenüber die Anstandsdame, und auf dem Kutschbock befanden sich der Wagenlenker und ein wachsamer Bogenschütze. Zwei Gesellschaftsdamen, die aus Barcelona gekommen waren, um Edelmunda zu unterstützen und sich bei der Bewachung abzulösen,
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