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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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zusammenfasse, gerade jetzt, da ich fortmuss und keine Zeit habe.«
    Trotzdem ließ sich das Mädchen nicht von ihrer Frage abbringen und wollte mehr wissen.
    »Die Leute meiner Rasse haben den Bürgern gegenüber viele Nachteile, aber wenn es ein Problem wie jetzt gibt, müssen sie im Call bleiben, als hätten sie damit nichts zu tun.«
    »Das kommt gerade daher, dass man sie nicht als Bürger Barcelonas ansieht. Und das ist ein solch außergewöhnlicher Rang, dass man in keinem anderen Ort der Pyrenäenhalbinsel etwas Gleichartiges findet. Wenn Ihr Venedig, Genua oder Neapel besuchten könntet, würdet Ihr nicht einmal dort vergleichbare Privilegien finden.«
    »Ich glaube, das ist das erste Mal, dass es einen Vorteil bedeutet, Jude zu sein.«
    »Gebt mir das Schwert, das meinem Vater gehört hat«, wies Martí sie an und zeigte darauf.
    Das Mädchen nahm die in einem Wehrgehänge steckende Waffe und schnallte sie an Martís Gürtel fest – und sie nutzte die Gelegenheit, um ihn ein paar Augenblicke mit den Armen zu umschlingen. Er wollte sie beiseiteschieben. Dann stellte sich das Mädchen plötzlich auf die Zehenspitzen, streckte ihr Gesicht zu dem Martís empor und drückte einen schüchternen Kuss, der leicht wie der Flügelschlag eines Schmetterlings war, auf seine Lippen.
    »Was tut Ihr da, Ruth?«, fragte Martí, als sie ihren Mund von seinem löste, während sein Inneres in einem bisher unbekannten Feuer glühte.
    Ruth blickte ihn direkt an und sagte mit lauter und klarer Stimme: »Ihr zieht in den Krieg, und ich verabschiede Euch. Ich liebe Euch, seitdem ich ein Mädchen war, und ich zittere, wenn ich nur daran denke, dass Euch etwas zustoßen könnte.«
    Martí begriff, dass das kleine Mädchen herangewachsen war und dass nun eine schöne und faszinierende junge Frau vor ihm stand. Ebenso wurde ihm bewusst, welche Pflicht er ihr gegenüber hatte, und er erinnerte sich an den Schwur, den er ihrem Vater geleistet hatte.
    Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt, als er erklärte: »Ruth, auch ich empfinde große Zuneigung zu Euch, aber so etwas darf nie wieder geschehen. Euer Vater hat mir Euren Schutz anvertraut. Bitte macht es nicht noch schwerer.«
    Nach diesen Worten nahm Martí die Sturmhaube vom Bett und
ging, während ihm viele widersprüchliche Gedanken durch den Kopf schwirrten.
    Zusammen mit seinen Dienern, die alle bis an die Zähne bewaffnet waren, kam er gerade noch rechtzeitig zu der vereinbarten Stelle. Jofre war schon da, anders als seine übrigen Kapitäne, die gerade auf Reisen waren. Martí stellte sich vor seine Leute.
    Schließlich verstummte das Glockenläuten, und vom Schloss aus wandte sich der Veguer an die unruhige Menge. Olderich von Pellicer nahm ein Sprachrohr aus Messing, setzte es an die Lippen und rief: »Sou atents?«
    Die Truppe antwortete wie ein Mann: »Som atents!«
    »Bürger von Barcelona! Durch Feuerzeichen und Hornsignale sowie von den Boten aus anderen Orten haben wir erfahren, dass sich eine beträchtliche sarazenische Streitmacht den Stadtmauern nähert. Wir wissen nicht, mit welchen Absichten sie kommt, aber wir müssen auf alle Möglichkeiten gefasst sein. Jeder soll zu dem Stadttor eilen, das ihm zugewiesen ist, und sich dem Befehl des dortigen Kommandanten unterstellen. Die Frauen sollen sich bereit machen, Wasser zu tragen und die Feuer zu unterhalten, und die Kinder sollen sich darum kümmern, Steine für die Katapulte zu holen. Nachbarn, es lebe Barcelona! Es lebe die heilige Eulalia!«
    Nach diesem Aufruf ging die Menge diszipliniert auseinander. Martí brachte seine Leute zum Regomir-Tor, und dort wartete er darauf, dass ihm der Kommandant dieses Abschnitts die erforderlichen Befehle gab. Unwillkürlich fuhr er sich mit dem Rücken der rechten Hand über die Lippen, um den Kuss abzuwischen, den das Mädchen darauf gedrückt hatte und dessen Glut er immer noch spürte.
     
    Im Grafenschloss herrschte fieberhaftes Treiben. Nachdem der Graf die Boten angehört hatte, war er zu einer Unterredung mit dem Seneschall, dem Veguer und den Hofräten zusammengekommen, zu denen der Intendant Bernat Montcusí gehörte.
    Ramón Berenguer saß an der Stirnseite des langen Tisches und unterrichtete seine Hauptleute.
    »Meine Herren, die Lage ist so: Eine beeindruckende, wenn auch nicht übermäßig zahlreiche Streitmacht ist durchs Llobregat marschiert und nähert sich von Süden her unserer Stadt. Das würde nicht so wichtig sein, wenn wir wüssten, dass diese

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