Das Vermächtnis des Martí Barbany
dem Arbeitstisch ging auf, und es erschien die selbstgefällige und verhasste Gestalt Bernat Montcusís.
Die beiden Männer musterten einander aus der Entfernung.
Dann kam der Ratgeber näher, setzte sich auf seinen eleganten Stuhl und forderte Martí mit einer Handbewegung auf, sich ebenfalls zu setzen.
Eine spannungsgeladene Pause trat ein, die so nachdrücklich wie der Hass wirkte, der Barbanys Seele überwältigte.
»Seit dem letzten Mal, dass ich das Vergnügen hatte, Euch zu empfangen, ist viel Wasser unter den Brücken geflossen«, sagte Montcusí.
»Und in dieser Zeit ist vieles geschehen«, erwiderte Martí, wobei er sich Mühe gab, dass seine Stimme nicht bebte.
»Was nicht alles gut war.«
»Selbstverständlich.«
Wieder eine Pause. Der Ratgeber nahm eine grün schimmernde Feder von einem Tablett und spielte damit.
»Fangen wir mit dem Anfang an. Ich wusste nicht, dass Ihr Euch damit abgebt, im Schutz der Nacht und als Hauptmann einer Räuberbande fremde Grundstücke zu überfallen.«
»Es darf Euch nicht erstaunen, wenn jemand etwas zurückholen will, was ihm gehört, und Ihr wisst genau, dass dies der einzige Weg war, um es zu erreichen.«
»Glaubt Ihr nicht, dass derjenige besser handelt, der das Pfand von der Person zurückverlangt, die es erhalten hat, wenn er glaubt, ein Recht darauf zu haben?«
»Nicht, wenn der Nutznießer behauptet, dass es ein solches Pfand gar nicht gebe, weil es an der Pest gestorben sei.«
»Ihr habt den falschen Ausdruck gewählt: Sagt vielmehr ›Eigentümer‹. Wenn ich mich richtig erinnere, habt Ihr mir die Sklavin geschenkt.«
»Ihr habt ein schlechtes Gedächtnis: Ich habe Eurer Stieftochter die Stimme und die Kunst Aixas geschenkt. Euch habe ich lediglich um Erlaubnis gebeten.«
Montcusí warf die Gänsefeder heftig auf den Tisch.
»Lasst die Spitzfindigkeiten beiseite, und denkt daran, dass sich niemand in der ganzen Grafschaft ungestraft über mich lustig machen darf!«
Martís Stimme klang ruhig, aber bedrohlich.
»Die Zeit, in der ich Euch für einen Ehrenmann hielt, liegt lange zurück. Ich weiß, was Ihr Laia angetan habt, und ich will nicht laut äußern, welches Urteil Ihr hierfür verdient habt. Der Junge, der Euch einst aufgesucht hat, ist schon lange tot. Ich weiß, wie mächtig Ihr seid, aber Ihr schüchtert mich nicht ein, und solltet Ihr versuchen, etwas gegen mich zu unternehmen, so werdet Ihr die gebührende Antwort erhalten.«
»Was habe ich Laia angetan, abgesehen davon, dass ich sie Euch als Ehefrau angeboten und mich um sie gekümmert habe, seitdem sie ihre Mutter verloren hatte?«
»Setzt der Niedertracht nicht auch noch Zynismus hinzu, und bringt mich nicht zum Reden.«
»Wenn Ihr behauptet, dass Ihr etwas wisst, sprecht es aus!«, schrie der Ratgeber.
Nun wurde Martí lauter.
»Ihr habt sie mir als Ehefrau angeboten, weil Ihr sie geschwängert hattet! Das ist in Wirklichkeit geschehen. Bevor ich meine Reise antrat, war ich ihrer nicht würdig, und deshalb habt Ihr sie gezwungen, mir einen Brief zu schreiben, in dem sie ihr Versprechen zurücknahm, und nach meiner Rückkehr habt Ihr beinahe als Trauzeuge gedient, um so Eure unsittlichen Taten zu verbergen«, fuhr ihn Martí an.
Inzwischen grübelte Montcusí angestrengt, wie Martí herausbekommen hatte, wo sich Aixa aufhielt. Und war es der Sklavin trotz ihrer Stummheit gelungen, ihm zu erzählen, was mit ihr und mit Laia geschehen war …? Oder hatte Pater Llobet etwa nicht das Beichtgeheimnis wahren können? Doch was kam es schon darauf an, der andere hatte keine Beweise …
»Wie kommt Ihr auf einen derartigen Unsinn?«
»Ihr seid in Barcelona nicht der Einzige, der gut informiert ist.«
»Lügen und Verleumdungen. Wenn jemand solche Ämter wie ich ausübt, ist es logisch, dass er sich viele Feinde macht.«
»Lügen? Wer hat hier gelogen, als er sagte, dass Aixa tot war? Warum habt Ihr befohlen, ihr die Zunge abzuschneiden und sie zu blenden?«, rief Martí.
»Lassen wir diese Späße! Vor einem Gericht könnt Ihr all diese Dummheiten niemals beweisen!«
»Das will ich auch nicht. Was ich allerdings beweisen kann, wenn es nötig sein sollte: dass Ihr befohlen habt, einer Dienerin, die eine freie Frau war, die Zunge abzuschneiden und ihr außerdem die Augen auszustechen.«
»Für mich war sie eine Sklavin, und dazu noch heimtückisch und treulos. Wozu brauchte sie ihre Zunge, wenn sie ihre Lieder nicht mehr singen konnte, denn Ihr gebt ja zu, dass das Geschenk
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