Das Vermächtnis des Martí Barbany
die Einwohner von den Stadtmauern entfernt, da es keinen Zweifel gab, dass die feindliche Streitmacht bei Weitem unterlegen war. Nur Berufssoldaten warteten noch auf den Mauern der befestigten Stadt.
Zum vereinbarten Zeitpunkt öffneten sich erneut die Tore, und es kamen die Leute heraus, die man für die Durchführung des schwierigen Unternehmens brauchte.
Der Reitertrupp, der ar-Rashid bewachte, hatte kaum die Mauer hinter sich gelassen, als er wieder anhielt und auf Befehle wartete.
Der Hauptteil der Gesandtschaft rückte im Licht von Fackeln vor, die das ganze Geschehen beleuchten sollten. Zur gleichen Zeit setzte sich auf der anderen Seite ein großer Zug von Glühwürmchen in Bewegung.
Beide Gruppen trafen sich auf halbem Wege. Sie wechselten wenige Worte: Es verlangte alle danach, das Unternehmen schnell und erfolgreich abzuschließen.
Mehrere Träger, deren verschwitzte Stirnen im blassen Widerschein des Mondes glänzten, setzten die Traggestelle mit zwei wuchtigen Eichenkästen auf den Boden. Dann traten sie zur Seite und kehrten nach einem kurzen Befehl in ihr Lager zurück. Nun stieg Abenamar feierlich vom Pferd und holte aus seiner Kleidung einen goldenen Schlüssel hervor, steckte ihn nacheinander in die Schlösser beider Truhen, klatschte in die Hände und befahl zwei Dienern, die bauchigen Deckel zu öffnen.
Unter den verblüfften Blicken der Soldaten tauchte im milchigen Mondschein eine unerhörte Menge von Goldmaravedis auf, die die Augen aller Anwesenden blendete.
»Da habt Ihr das Vereinbarte«, sagte der Maure.
»Bernat, ans Werk: Ich vertraue Euren Fähigkeiten.«
Montcusí, der diesmal in einem Wagen mitgekommen war, rief vier seiner Männer, und jeder von ihnen klappte geschwind einen Tisch auseinander. Von zwei Dienern unterstützt, die die Rechenbretter bedienten, zählten sie nun Maravedis und notierten immer weitere Zahlenkolonnen auf Pergamentblättern.
Es war ein langwieriges Unternehmen. Als der Mond im Zenit stand, nahm man den Geiselaustausch vor. Die Gruppen kamen aus der Nachhut beider Parteien. Marçal von Sant Jaume und ar-Rashid wechselten die Seite. Die Fuhrwerke, die den Schatz beförderten, waren schon unterwegs. Die Männer, die den Grafen begleitet hatten, bewachten sie. Die Gesandtschaften wollten sich gerade voneinander verabschieden, als die zornige Stimme des Sohns al-Mutamids durch die Nacht dröhnte und sich dabei an Ramón Berenguer wandte: »Möge der Fluch Allahs, des Einzigen, des Größten, des Gerechten, Euer Haupt treffen! Möge Euer Blut in Bruderkriegen vergossen werden, und Eure Söhne sollen die Mörder Eurer Söhne sein! Euer Geschlecht soll wie ein trockener Baum verdorren!«
Die katalanischen Ritter der Eskorte wollten schon zu den Schwertern greifen, als Abenamars Stimme die Gemüter besänftigte.
»Herr Graf, seid so verständig und verzeiht. Habt Ihr nicht vor einer Weile zugegeben, dass die Jugend unbesonnen ist? Nun, hier habt Ihr einen weiteren Beweis dafür.«
Nach diesen Worten verschwand die maurische Abordnung in der Nacht.
88
Familiengespräche
S amstagnacht brannten die Lichter im ersten Stock des Grafenschlosses. Hinter den großen Fächerfenstern eilten die Diener hin und her, trugen Tabletts mit köstlichen Speisen und Becher mit vorzüglichem Priorat-Wein. Graf Ramón Berenguer hatte eine Curia Comitis einberufen, um Beratungen durchzuführen, und nach ihrem Ende feierte er zusammen mit seinen engsten Mitarbeitern den triumphalen Erfolg, den dieser Zustrom von Maravedis für seinen Staatsschatz bedeutete. Bei dieser denkwürdigen Gelegenheit standen die Throne des Grafenpaars voneinander getrennt, und beide Gatten empfingen ihre Getreuen an einem Saalende. Im Hintergrund war der Graf von seinen Leuten umgeben: dem Veguer Olderich von Pellicer, dem Seneschall Gualbert Amat, Odó von Montcada, dem Bischof von Barcelona, dem Obernotar Guillem von Valderribes, Frederic Fortuny i Carratalà, dem ehrenwerten Ponç Bonfill i March und dem hochwohlgeborenen Eusebi Vidiella i Montclús, den Richtern, die bei den Lites honoris vermittelten, jenen Streitigkeiten, bei denen es um die Ehre und die Rechte der angesehenen Bürger ging. Dabei waren selbstverständlich auch sein Ratgeber Bernat Montcusí und außerdem die Cabreras, Perellós, Muntanyolas und zahlreiche weitere Adelsfamilien der Grafschaft.
Neben dem großen Balkon thronte Almodis im Kreis ihres kleinen Hofstaats. Er bestand aus ihrem Beichtvater Eudald Llobet, Gilbert
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