Das Vermächtnis des Martí Barbany
vergebens bemüht, und so, wie sich die Dinge entwickeln, kann ich das nur bestätigen. Aber was wollt Ihr, er ist eigensinnig wie ein Maultier«, kommentierte der Geistliche.
»Der andere ist schlau wie ein Fuchs und glatt wie ein Aal, aber zweifelt nicht daran, dass ich ihn am Ende erwische«, erklärte Martí.
»Jetzt müsst Ihr sofort ins Bett«, entgegnete Eudald. »Ich habe den Arzt Halevi benachrichtigt, und er kommt gleich.«
Omar und Eudald stützten Martí, als er die Treppe zu seinem Haus hochstieg. Er kam in sein Zimmer und fiel aufs Bett. Der Arzt traf ein, und der Diener entfernte sich. Das Fieber war stark gestiegen, und vor Martís Augen verwischten sich die Konturen.
Halevi nahm den Verband ab und untersuchte die Wunde gründlich. Dann äußerte er sofort seine Meinung: »Der Mann, der Euch zuerst behandelt hat, wusste, was er tat. Die Wunde ist sauber, und der Einschnitt ist deutlich zu sehen.« Dann betastete er die Lymphknoten am Hals. Mit einer Lanzette entnahm er einen Tropfen Blut aus dem Mittelfinger der rechten Hand und kostete ihn. Hierauf beobachtete er aufmerksam die gelblich verfärbten Pupillen Martís. Schließlich nahm er ein Fläschchen, goss daraus einen Tropfen violetter Flüssigkeit mit Martís Urin zusammen und hielt die Mischung prüfend gegen das Licht. Seine Diagnose war knapp und klar: »Euer Blut ist vergiftet, und solange Euer Körper nicht das Gift aus Euren Säften ausgeschieden hat, bekommt Ihr hin und wieder Fieberanfälle, und dann könnt Ihr sogar das Bewusstsein verlieren.«
»Was für ein Heilmittel gibt es dagegen?«, fragte der Priester.
»Die Zeit, Pater, die Zeit. Und er soll viel Ziegenmilch trinken.«
»Aber … Martí steckt im größten Abenteuer seines Lebens, und dabei
setzt er mehr als die Gesundheit aufs Spiel. Gebt ihm etwas, was ihm hilft, damit fertig zu werden.«
»Nehmt Euch sehr in Acht, Pater Llobet. Ich gebe Euch eine Droge, was ich eigentlich nicht tun dürfte, wenn man nämlich die entsprechende Dosis nimmt, kann sie tödlich wirken. Dieses Mittel wird aus der Ignatiusbohne und der Brechnuss gewonnen: Am ersten Tag verabreicht Ihr ihm genau einen Tropfen, am zweiten zwei und am dritten drei. Darüber dürft Ihr nicht hinausgehen. Dieses altbekannte Mittel wird sein Herz anregen, seinen Geist stärken und ihm für kurze Zeit helfen, sich zu erholen. Aber Ihr dürft Euch bei der Dosis nicht irren.«
Der Arzt holte seinen Beutel, der auf einem Tisch lag, und gab dem besorgten Priester ein Fläschchen mit einem geschliffenen Glasstöpsel. Eudald nahm es so behutsam, als enthielte es reine Goldkörner.
116
Der dritte Tag
D ie erwartungsvolle Spannung hatte den Gipfelpunkt erreicht. Die Anhänger beider Parteien verwickelten sich in erbitterte Rededuelle, und in einer Schänke ging man sogar mit Messern aufeinander los; man behauptete, ein Barbier habe den Hals eines Kunden mit dem Rasiermesser aufgeschlitzt.
Die beiden Grafen verfolgten interessiert die Erklärungen der Hauptpersonen, und sogar zwischen ihnen kam es zu Meinungsverschiedenheiten.
Auf Martís Bitte durften die Beteiligten an der Lis sitzen bleiben, womit man darauf Rücksicht nahm, dass er unübersehbar unter Schwächeanfällen litt.
Alle waren schon auf ihren Plätzen, als Richter Fortuny die Sitzung eröffnete.
»Es beginnt der dritte und letzte Verhandlungstag. Die Beteiligten sollen daran denken, dass sie unter Eid stehen. Am Ende kommen wir Richter zusammen und hören die Meinungen der Curia Comitis an, um zu erwägen, welchen Rat wir unserem Herrn Ramón Berenguer geben sollen, damit er das Urteil erlässt, das er für angebracht hält. Vor den Schlussanträgen haben beide Parteien die Möglichkeit, letzte Beweise vorzulegen, wenn es solche gibt.«
Martí ordnete seine Papiere und machte sich bereit, mit der Lis zu beginnen, sobald ihm der Richter das Wort erteilte. Dies geschah unverzüglich.
»Der Bürger Barbany hat das Wort. Wir werden hören, was er darlegen möchte. Es folgt der sehr ehrenwerte Ratgeber Bernat Montcusí. Danach können die Richter beide noch einmal vernehmen, um bestimmte Punkte aufzuklären, falls dies notwendig sein sollte.«
Nachdem Martí die Grafen protokollgemäß begrüßt hatte, begann er.
»Hochverehrte Richter, erlauchte Ratgeber, alle Adligen, Geistlichen und ehrenwerten Bürger Barcelonas auf den Tribünen! Mein letzter Anklagepunkt ist so bedeutungsvoll, dass es selbst mir schwerfällt, ihn auszusprechen. Ich habe den
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