Das Vermächtnis des Martí Barbany
umgeschaut, die ich für geeignet hielt. Nun denn, stellt Euch meine Bestürzung vor, als Laia eines Morgens in mein Arbeitszimmer kommt und mir sagt, dass sie keine Jungfrau mehr sei, weil dieser dreiste Grünschnabel sie mit ihrem Einverständnis um ihren Jungfernkranz gebracht habe. Gebt acht: Ich behaupte nicht, dass er ihr Gewalt angetan hat. Ich gestehe, dass mich tausend Teufel quälten und dass meine Seele von einem heiligen Zorn heimgesucht wurde. Ich habe ihr damit gedroht, das ist wohl wahr, der wirklichen Schuldigen an dieser Geschichte etwas anzutun, und das war keine andere als die Sklavin Aixa. Außerdem habe ich mir Adelaida gut gemerkt, die das Liebesnest bereitgestellt hatte. Dann habe ich Laia aufgefordert, eindeutig zu erklären, dass sie sich geirrt hatte. Ich habe die Beziehung für beendet erklärt, und selbstverständlich habe ich die Sklavin von ihr getrennt.
Ich nahm an, dass diese Entscheidung einen Schlussstrich unter die ganze Affäre zog. Aber ich habe mich getäuscht. Kurz danach kam Laia wieder in mein Arbeitszimmer und drohte mir, sie werde sich dem Ersten hingeben, den sie finde, wenn ich sie daran hindere, diese unsinnige Liebesgeschichte fortzusetzen. Ich kümmerte mich nicht um ihre Drohung und blieb unnachgiebig. Nach einiger Zeit erschien sie erneut bei mir und teilte mir mit, dass sie schwanger sei. Damit begann mein Leidensweg. Ich habe nächtelang nicht geschlafen und sie aufs Land geschickt, damit sie nachdenken und die Zeit bis zur Niederkunft mit so wenig Aufsehen wie möglich überstehen konnte. Ich brachte es nicht fertig, den Vater des Kindes zur Verantwortung zu ziehen, denn Laia weigerte sich rundheraus, seinen Namen zu nennen. Seht, wie es einem verzweifelten Vater ergeht: Mein Glaube verbot mir, sie zu einer Abtreibung zu zwingen, und meine Liebe zu ihr drängte mich, ihr aus dieser üblen Lage herauszuhelfen und ihr dabei möglichst wenig zu schaden. Schließlich fiel mir eine Lösung ein, die zwar schlecht war, sich jedoch als einzige anbot. Hierfür wandte ich mich an Pater Llobet, meinen guten Freund und Beichtvater. Ich weiß wohl, dass er wegen seines Amtes nicht als Zeuge aussagen darf … Indes würde ich es nie wagen, etwas zu sagen, was nicht der Wahrheit entspräche, denn ich weiß ja, dass er sich im Saal befindet. Ich habe ihn in der Pia Almoina besucht und ihn gebeten, dass er nach der bald bevorstehenden Rückkehr seines Schützlings mit diesem reden sollte, damit er als Mann seine Pflicht erfüllte, denn schließlich hatte ja Barbany die Ehre Laias geraubt. Ich habe die Kröte geschluckt und Pater Llobet gebeten, mir dabei zu helfen, Barbany zu überzeugen, dass er meine Tochter heiraten und die Rolle des Kindsvaters übernehmen sollte. Inzwischen hatte sich die Lage verbessert, denn das Kind wurde bedauerlicherweise tot geboren. Wie immer hat mich Pater Llobet aus der Bedrängnis gerettet. Sobald dieser Mann«, dabei zeigte er grimmig auf Martí, »von seinen Reisen zurückkehrte, haben wir uns für einen Abend verabredet, um die Angelegenheit zu besprechen. Ich hatte mein Mädchen unterdessen nach Barcelona bringen lassen, und sobald sie eintraf, teilte ich ihr mit, dass ich ihrer Heirat zustimme und dass ihr Galan bald zu mir kommen werde, um die Bezahlung der Mitgift zu vereinbaren. Noch werden mir die Augen feucht, wenn ich an ihr glückliches und hoffnungsvolles Gesichtchen nach den bitteren Schicksalsprüfungen denke.
Der vereinbarte Tag kam, und in der Gartenlaube meines Hauses habe
ich mich mit ihm versöhnt und ihm meinen väterlichen Segen erteilt. Der Abend verging ohne besondere Vorkommnisse; als Einziges fiel mir vielleicht auf, dass dieser Mann übermäßig viel Wein trank. Beim Nachtisch war er schon etwas betrunken, und er wagte es, eine eindeutig viel zu hohe Mitgift von mir zu verlangen. Als ich meinen gerechten Zorn äußerte, argumentierte er, er müsse sich mit einer entehrten Frau belasten, und so etwas habe seinen Preis. Darauf habe ich keine Antwort gegeben. Gleich danach erschien mein Verwalter und meldete ein großes Unglück. Meine arme Tochter hatte sich hinter den Säulen im ersten Stock versteckt und gehört, welchen Preis der geliebte Mann ihrer Träume für ihre Ehre verlangte. Sie kletterte auf die Mauer und sprang in die Tiefe. Den Rest der Geschichte kennt Ihr schon, denn er ist allgemein bekannt.«
Die Anwesenden bekundeten ihre Bestürzung, und die beiden Parteien grenzten sich deutlich voneinander ab: Auf
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