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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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wir für fest begründet hielten.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?«
    »Ich bin sicher, der Brief Eures Vaters hat Eure Meinung über ihn und sein Leben verändert.«
    »Heute habe ich etwas gelernt, was ich nie vergessen werde.«
    »Und was?«
    »Nie wieder will ich jemanden beurteilen, ohne dass ich alle Informationen zusammengetragen habe, und wenn es sich um einen Streitfall handelt, ohne dass ich beide Seiten gehört habe.«
    »Ein weiser Entschluss. Was wollt Ihr jetzt tun?«
    Martí antwortete mit einer Gegenfrage.
    »Kennt Ihr den Geldverleiher Baruch Benvenist?«
    »Wer kennt ihn nicht? Ich glaube, die meisten Einwohner Barcelonas haben von ihm gehört.«
    »Ich muss ihn aufsuchen: Er verwahrt das Testament meines Vaters. Ich wäre Euch überaus dankbar, wenn Ihr mich begleitet, falls das möglich ist.«
    »Das tue ich herzlich gern, denn er ist ein guter Freund von mir, soweit man mit einem angesehenen Juden befreundet sein kann. Und er versorgt mich mit den meisten Stecklingen für meine Blumentöpfe.« Dabei zeigte er auf die Blumen in seinem Fenster. »Aber wir sollten nicht umsonst zu ihm gehen. Er ist ein viel beschäftigter Mann. Lasst mich ein Treffen vereinbaren, und wenn ich das erreicht habe, teile ich es Euch mit. Wo habt Ihr eine Herberge gefunden?«
    »Noch nirgends. Sobald ich in der Stadt angekommen war, habe ich Euch aufgesucht.«
    »Nun denn, ich gebe Euch ein Empfehlungsschreiben für einen Hausbesitzer mit. Sein Haus liegt in der Vorstadt, nahe beim Bischofstor, dort könnt Ihr unterkommen. Ich benachrichtige Euch, sobald ich die Verabredung mit Baruch Benvenist getroffen habe.«
    »Ich wollte Euch keine Unannehmlichkeiten bereiten, ich weiß mir schon zu helfen.«
    »Es macht mir keine Mühe, und dort wohnt Ihr besser als in einer Herberge oder einem Gasthaus. So kann ich Euch außerdem leichter finden.«
    »Ihr seid höchst liebenswürdig.«

    »Damit ehre ich nur das Andenken Eures Vaters, der mir unvergesslich bleiben wird. Nun fühle ich mich frei von dem Versprechen, das ich ihm gegeben habe, denn in all diesen Jahren war es für mich, als trüge ich einen schweren Stein um den Hals.«
    Nach diesen Worten schrieb er den Brief.

9
    Nächtliches Abenteuer
    Toulouse, Dezember 1051
     
    R amón Berenguer lief mit hastigen Schritten auf den Steinplatten seines Zimmers umher. Er wartete kaum ab, dass seine Kammerdiener hinausgingen, bevor er das Briefchen aus der Tasche zog. Er machte sich bereit, es im Licht des prächtigen Kandelabers zu lesen, der auf dem Tisch stand. Seine ungeduldigen Finger falteten das Pergament auseinander. Die Botschaft lautete:
    Wenn sich Eures Herzens dasselbe Gefühl bemächtigt hat, von dem das meine ergriffen ist, so bitte ich Euch, dass Ihr heute Nacht den Anweisungen folgt, die ich Euch bald durch eine Person zukommen lasse, die mein uneingeschränktes Vertrauen genießt. Von Eurer Höflichkeit erwarte ich, dass Ihr dieses Briefchen verbrennt, wenn Ihr es gelesen habt.
    Die Botschaft trug keine Unterschrift.
    Sein Magen krampfte sich zusammen, und seine Beine zitterten so sehr, dass er sich an den Bettrand setzen musste. Immer wieder las er die Nachricht, ohne dass er es wagte, sie zu vernichten. Er wusste nicht, was er tun sollte. Darum beschloss er, sich auf eine lange Wartezeit einzurichten, selbst wenn die Botschaft erst am frühen Morgen eintreffen sollte. Es waren wohl mehr als zwei Stunden vergangen, bis ein leises Geräusch schließlich seine Sinne warnte und er bemerkte, dass sich jemand an seiner Tür bewegte. Lautlos öffnete er einen Türflügel und sah hinaus. Er glaubte, Aufregung und Unsicherheit trübten seine Wahrnehmung und spielten ihm einen Streich. Auf dem langen Gang war nichts zu sehen, doch als er die Tür gerade schließen wollte, trat ein winziger Schatten hinter einem Vorhang hervor, hielt den Zeigefinger an die Lippen
und bedeutete ihm, still zu sein. Das Männchen glitt ihm beinahe zwischen den Beinen durch, und der Graf von Barcelona blickte sich wie ein Spitzbube, der sich vor der Wache fürchtet, nach beiden Seiten um und schlich zurück ins Zimmer, während ihm das Herz bis zum Halse schlug. Hinter einem Bildwerk, das die Stelle schmückte, wo sich mehrere Gänge kreuzten, tauchte nun die schwarze Gestalt eines Mönchs auf. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er unbemerkt geblieben war und dass Delfín, der Hofnarr der Gräfin, sich in Ramón Berenguers Gemächer geschlichen hatte, entfernte er sich, um seinem Oberen,

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