Das Vermächtnis des Martí Barbany
vielleicht sogar auf, um zukünftige Langfinger, die es nach fremdem Gut gelüstet, zu warnen und abzuschrecken.
Ich muss Dir sagen, und darauf gebe ich Dir mein Wort, dass ich zwar im Krieg gekämpft, aber niemals eine Frau missbraucht habe. Stets habe ich den Besiegten geschont und im Verlauf so vieler Jahre nur das genommen, was mir bei den Teilungen rechtmäßig und nach meinem Dienstrang zustand. Dies war nun einmal mein schrecklicher Beruf, und was ich dabei erhalten habe, war selbstverständlich meine gerechte Entlohnung und das Einzige, was ich Dir als Erbe hinterlassen konnte. Nimm es, ohne zu erröten, denn Deiner Mutter habe ich den Grundbesitz vermacht, dessen Ertrag sie bis zu ihrem Tod genießen wird, und danach geht er auf Dich über. Es mag Dich wundern, was ein vorausschauender Vater in seinem ganzen Leben zusammensparen kann, wenn er die Frucht seiner Mühen nicht für wertlosen Tand verschleudert, dem das Kriegsvolk so zugetan ist. Nimm mein Erbe ohne Bedenken an, denn ich habe alles rechtmäßig erhalten, als ich diesen schrecklichsten Beruf ausübte, und wenn etwas Dein Gewissen belastet, verwende es für gute Werke, wie es Dir am besten gefällt, um die schlechten Taten auszugleichen, die ich vielleicht begangen habe. Lass für meine Seelenruhe so viele Messen lesen, wie Du meinst, dass sie mir zukommen, und führe ein friedliches und nützliches Leben. Sei umsichtig, töte nur jemanden, wenn Du Dich verteidigen musst oder wenn Deine Ehre oder auch die Deiner Angehörigen auf dem Spiel steht. Suche keinen Streit, und gib bei Fragen nach, die nicht Deinen guten Namen beeinträchtigen, doch wenn Du zur Waffe greifen musst, halte durch bis zum Ende. Deine Feinde musst Du, wenn Du in Frieden leben willst, auf den Friedhof bringen, dort können sie Dir nicht schaden. Verschaffe Dir Respekt, und wer sich Dir entgegenstellt, soll begreifen, dass er einen Mann vor sich hat.
Meine Botschaft wird Dir von jemandem übermittelt, der für mich mehr als ein Bruder war. Suche bei ihm Rat, wenn Du im Zweifel bist. Schließlich sollst Du erfahren, wo Du den Ertrag so vieler Opfer und so langer Jahre findest: Geh zu dem Juden Baruch Benvenist. Er wohnt am Eingang des Call von Barcelona. Er hat mein Geld verwaltet und mein Testament verwahrt. Niemand darf es öffnen, wenn man dazu nicht diesen Brief und den Schlüssel vorlegt, den Dir mein Gefährte Eudald Llobet geben wird. So heißt der Mann, der mein Freund war und der gewiss dafür gesorgt hat, dass Du meine Anweisungen zusammen mit dem Ring erhältst, der mir gehörte und den ich Dir durch denselben Vermittler zukommen ließ, damit Du Dich stets als mein Erbe ausweisen kannst.
Ich sage Dir Lebewohl, mein Sohn. Trage ehrenvoll meinen Namen, sorge für Deine Mutter, die meine Abwesenheit mit großen Opfern ausgleichen musste, und tue nie etwas, was Deinem Gewissen widerstrebt. Nach meinem geringen Verständnis besteht die einzige Sünde darin, dass man einem Nächsten schadet. Kurz und gut, sei ein ganzer, rechtschaffener und friedlicher Mann, wenn so etwas möglich ist. Diene treu einem einzigen Herrn, weil man zweien nicht dienen kann, und wisse, dass der große Schatz eines Mannes sein Wort ist.
Nun, da Du die Wahrheit über mein Leben erfahren hast und wenn Dich meine Erklärung befriedigt, wenn sie Dich gerührt und erreicht hat, dass sich Deine Vorstellung von mir etwas geändert hat, sollst Du es verstehen, mir zu vergeben, und wissen, dass der letzte Gedanke, der mir in meiner Schicksalsstunde sicher geholfen hat, Dein Bild und das meiner Frau, Deiner Mutter, waren, und sie bitte ich durch Deine Vermittlung um Verzeihung.
Bis zu einem Wiedersehen im Jenseits, falls ich dank der Barmherzigkeit des Allerhöchsten dorthin gelange,
GUILLEM BARBANY VON GORB
Martí legte das Pergament auf die Knie und trocknete eine Träne ab, die ihm aus den Augen rinnen wollte. Danach versank er eine Weile in angestrengte Grübeleien. Er hatte sich so sehr in seine Gedanken vertieft, dass er keine Schritte gehört hatte, als er plötzlich spürte, dass jemand neben ihm stand. Er blickte auf. Pater Llobets milde Augen betrachteten ihn von oben und registrierten seine seelische Unruhe. Der Geistliche setzte sich wieder und überlegte laut.
»Es ist hart, wenn wir Neuigkeiten erfahren, die manches, was wir als
unwandelbar ansahen, in ein neues Licht rücken, und wenn wir erleben, dass am tiefsten Grund unseres Herzens Bauwerke zusammenstürzen, deren Fundamente
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