Das Vermächtnis des Martí Barbany
sogar zwei der Mauertürme Barcelonas. Die Ursachen für ihre Streitigkeiten rührten aus weit zurückliegenden Zeiten, viele waren eine Fortsetzung früherer Zwistigkeiten mit seinem Vater Berenguer Ramón
dem Buckligen, den er nicht kennengelernt hatte, und nach dessen Tod gingen sie mit seiner Großmutter Ermesenda weiter, die sich dem jungen Grafen des Penedès entgegenstellte. Es gab viele Gründe für ihre unterschiedlichen Standpunkte: Manche hatten politische Bedeutung, zumal sein Nachbar so dreist war, sich zum Fürsten von Olèrdola zu proklamieren, was die Autorität des Grafen beeinträchtigte, und andere Gründe wurden vom Starrsinn seiner Großmutter begünstigt, denn sie weigerte sich, auf die Potestas zu verzichten, die ihr nach dem Ableben ihres Gatten Ramón Borrell zustand. Obwohl es keinen Zweifel gab, dass sie so gehandelt hatte, um die Rechte Ramóns und seiner Brüder zu verteidigen, meinte dieser, das seien Probleme einer früheren Zeit, inzwischen aber könne man eine solche Angelegenheit – eher aus Selbstachtung als aus einem anderen Grund – mit einem Convenientia -Vertrag regeln, den der aufsässige Feudaladel weitaus bereitwilliger akzeptiert hätte.
In seinem Leben hatte er schon vieles durchgemacht, und das brachte ihn dazu, dass er sich manchmal weitaus älter fühlte, als es seinem Alter entsprach. Er war kaum herangewachsen, als ihn seine Großmutter Ermesenda von Carcassonne mit Elisabet von Barcelona verheiratete. Diese hatte ihm im Lauf der Zeit drei Söhne geschenkt, von denen sie bei ihrem Tod nur einer – Pedro Ramón – überleben sollte. Elisabet hatte ihm nur Freude gebracht. Das galt jedoch nicht für ihren Sohn, dessen abweisender und gewalttätiger Charakter ihm schon viele Unannehmlichkeiten bereitete, als er noch ein Kind war. Als Ramón Berenguer verwitwete, beklagte er den Tod seiner Gattin. Obwohl er sie nicht geliebt hatte, war sie eine gute und treue Gefährtin gewesen, die ihm bei jedem Unternehmen unermüdlich beistand und an seiner Seite, ohne den Mut zu verlieren, unzählige Ängste und Abenteuer überwand, bei denen sie nicht zögerte, ihr Leben zu riskieren. So etwa in jener Nacht, als das Grafenschloss mit Steinen beworfen wurde, weil sich der Vizegraf Eudald II. und der Bischof Gilabert – sie waren mit dem Herrn des Penedès verwandt – empört hatten. Der Herr des Penedès hatte diesen Aufruhr angezettelt, und er scheiterte, weil die Bürger der Stadt eingriffen, ihren Grafen unterstützten und seine Autorität wiederherstellten. Um den Frieden in Barcelona zu sichern, musste man einen beträchtlichen Tribut entrichten, was ihm allerdings nicht allzu viel ausmachte. Als Elisabet vor zwei Jahren starb, wollte ihm seine Großmutter – wahrscheinlich, um ihn zu überwachen – eine Frau an die Seite stellen, die ihr Vertrauen genoss: Blanca von Ampurias, die etwas älter
als er war. Er erinnerte sich noch genau an das Datum: den 16. März 1051. Im Kloster Sant Cugat, einem Lieblingsort Ermesendas, fand die Vermählung statt. Aber das war geschehen, bevor ihm die göttliche Vorsehung diesen Engel zuführte, auf den er nicht verzichten wollte.
Der vereinbarte Plan wurde tatsächlich schon ins Werk gesetzt. Gilbert d’Estruc richtete sich nach seinen Anweisungen und hatte inzwischen gewiss die ersten Schritte unternommen. Er selbst stimmte die einzelnen Fristen aufeinander ab und berücksichtigte, dass er sich bei seiner Rückkehr in Gerona aufhalten musste, um sich mit seiner Großmutter zu unterreden und die Meinungsverschiedenheiten beizulegen, die ihn mit der alten und rechthaberischen Gräfin entzweiten. Sobald er danach in Barcelona eintreffen würde, wollte er seine Maßnahmen einleiten.
14
Der Sklavenmarkt
Barcelona, Mai 1052
N achdem Martí alle Vorkehrungen getroffen hatte, um sein neu erworbenes Vermögen sicher zu verwahren, begab er sich auf den Sklavenmarkt. Er lief zusammen mit seinem jüdischen Freund und war entschlossen, den Weg zu nutzen, um mehr darüber zu erfahren, wie und wann er sein Geld anlegen konnte.
Um aus der Stadt herauszukommen, verließen sie das Call durch das Castellnou-Tor. Nachdem die Stadtmauer hinter ihnen lag, wandten sie sich zur Ebene von La Boquería, überquerten die Holzbrücke über das breite Bachbett, das sich füllte, wenn das Wasser aus den Bergen herabströmte, bis es sich im Cagalell-See staute, der in der Sommerhitze unerträglich stank. Dort kaufte und verkaufte man Sklaven. Man brachte
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