Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
Vom Netzwerk:
verstärkten und auch zu den leichten Schuhen passten; weiße Strümpfe bedeckten ihre Beine. Die Gesellschaftsdame ihr gegenüber mochte ungefähr vierzig Jahre alt sein: Sie hatte einen kräftigen Körperbau, kleidete sich in dunklen Farben und bedeckte ihren Kopf mit einer weißen Haube, die das Oval ihres runzeligen Gesichts einrahmte. Ihr Blick und ihre Haltung waren streng und mürrisch.
    »Laia, es kommt mir so vor, als machtet Ihr aus jeder Unannehmlichkeit ein Drama. Ich weiß ja, dass Euch diese Sklavin gefallen hat, die Ihr kaufen wolltet, damit sie Euch in Euren Mußestunden Gesellschaft leistet. Aber Euer Vater hat eine Anweisung gegeben, und daran haben wir uns gehalten.«
    »Amme, nie verlange ich oder wünsche ich etwas. Bernat ist nicht mein Vater, er war der Ehemann meiner Mutter, und sie ist tot. Wenn es nach mir ginge, würde ich lieber in Puigcerdà bei meiner Tante und
meinem Onkel leben. Hier fühle ich mich als eine Gefangene, ich darf nicht ausgehen, habe keine Freundinnen, und ich verbringe meine Tage mit Übungen und Pflichten, die nichts mit mir zu tun haben und die vielleicht das Richtige für meine Mutter gewesen wären, die ich niemals ersetzen kann: Die ganze Zeit kümmere ich mich um meinen Stiefvater und um Leute, die älter als ich sind... Darum wollte ich eine junge Sklavin haben, die mir Gesellschaft leistet.«
    »Beklagt Euch nicht«, tadelte ihre Kinderfrau. »Don Bernat Montcusí vergöttert Euch und hat Angst, Euch zu verlieren. Deshalb gibt er auf Euch acht.«
    Laias Lippen deuteten einen ärgerlichen Ausdruck an.
    »Genug! Wenn es ihm passt, behandelt er mich wie eine Frau, und sonst tut er so, als wäre ich noch ein kleines Mädchen. Ich bin beinahe vierzehn Jahre alt. Ich besuche keinen Ort, zu dem junge Leute meines Alters kommen. Wie soll ich einen Mann finden, der mich heiraten will?«
    »Habt keine Eile, Mädchen. Euer Vater wird für Euch wählen, wenn die richtige Zeit kommt, und er wird es sich gründlich überlegen. Ihr werdet eines der größten Vermögen der Grafschaft erben, und es ist normal, dass Euch, da Ihr die einzige Tochter seid, eine Wolke von Mitgiftjägern und allen möglichen bunten Vögeln umschwärmt. Wer ist besser als Euer Vater geeignet, um sie zu sieben und zu überprüfen, damit er Eure Zukunft sichert?«
    »Ich will nicht, dass jemand einen Ehemann für mich aussucht«, widersprach Laia. »Den will ich selbst finden. Ich möchte nicht, dass man mich meines Vermögens wegen liebt. Geld interessiert mich nicht. Der Mann, der mich heiratet, muss mich selbst lieben.«
    »Ihr seid nicht nur ein kleines Mädchen, sondern auch gutgläubig: Eine Frau schuldet ihrem Vater von Geburt an Gehorsam, und wenn sie erwachsen ist, ihrem Gatten. Das ist unser unabänderliches Schicksal. Ihr dürft Euch für glücklich halten: Euer Vater wird für Euch sorgen, und das ist das Beste, was Euch widerfahren kann.«
    Doch Laia gab nicht klein bei.
    »Er hat keine Rechte auf mich: Er ist mein Stiefvater, das habe ich Euch schon tausendmal gesagt, und er hat sich nie meine Zuneigung erworben, als ich klein war.«
    »Erzählt keine Albernheiten: Herr von Montcusí zeigt allen gegenüber einen barschen Charakter, weil das seine Wesensart ist. Aber er hat für Euch alles getan, was er konnte, und das schon immer.«

    Solche Streitgespräche hatten sie oft geführt, und darum beschloss Laia, das Thema zu wechseln.
    »Also gut, Amme, lassen wir das. Die Sklavin, die ich kaufen wollte, hat mir gefallen. Der Versteigerer hat gesagt, dass sie mehrere Instrumente spielt und in vielen Sprachen rezitieren kann. Kennt Ihr den Namen des Mannes, der mich überboten hat?«
    »Barcelona ist nicht sehr groß, Laia. Aber meint Ihr etwa, dass ich die Namen der beinahe dreitausend Einwohner kennen soll?«
    »Nun, dann erkundigt Euch.«
    »Was wollt Ihr erreichen?«
    »Ich will ihm diese Sklavin abkaufen.«

17
    Roma dixit
    Barcelona, Mai 1052
     
    B ischof Guillem von Balsareny fühlte sich zutiefst beunruhigt, als er in Barcelona eintraf. Der doppelte Auftrag, den ihm der Heilige Vater übertragen hatte, war wahrhaftig dornenreich. Da er die menschlichen Schwächen genau kannte, war er sich bewusst, dass es eine mühevolle Aufgabe war, einem Mann zu widersprechen, wenn er in Brunst geriet, und sie wurde ein unmögliches Unterfangen, wenn dieser Mann außerdem ein allmächtiger Fürst war, der üblicherweise tat, wozu er gerade Lust hatte, und der an die Schmeicheleien der Höflinge und

Weitere Kostenlose Bücher