Das Vermächtnis des Martí Barbany
Sommer vor Euch, um den Euch übertragenen Teil auszuführen. Wenn Ihr Euch nicht vorbereiten könnt, müsst Ihr es mir mitteilen, damit ich andere Dinge auf später verschiebe: Alles muss miteinander wie eine Kette verbunden sein, in der kein Glied fehlen darf. Ich bitte Euch, mir unverzüglich zu sagen, wenn Ihr mit einer Einzelheit des Plans nicht einverstanden seid oder etwas als unmöglich anseht.«
»Ich höre Euch zu«, sagte Almodis, die ihre Ungeduld kaum verbergen konnte.
»Nach dem Sommerende, an dem Tag, den Ihr mir angebt, müsst Ihr mit einem möglichst geringen Gefolge abreisen, um eine Dame oder Verwandte in einer Burg zu besuchen, die mehr als fünfzig Meilen entfernt ist. Der Weg dorthin soll durch den großen Wald von Cerignac führen, der sich bei Raveil, zwischen Toulouse und Narbonne, ausdehnt. Ihr nehmt nur eine kleine Eskorte mit, und Euch begleiten die Damen, die Ihr auswählt und die Euer uneingeschränktes Vertrauen genießen müssen. Auf dem Wagen sitzt ein Fahrer, und der Postillion reitet auf dem Leitpferd. Was die Eskorte betrifft, und diesen Punkt betone ich nachdrücklich, so müsst Ihr dafür sorgen, dass sie so gering wie möglich ausfällt.«
»Und was soll ich tun, wenn mir mein Gemahl mehr Soldaten als nötig mitgibt?«
»Es ist alles vorgesehen, Herrin. Wenn so etwas geschieht, müsst Ihr Euer komödiantisches Talent zeigen.«
»Wenn Ihr das nicht näher erklärt, fällt es mir schwer, Euch zu verstehen.«
»Das sollt Ihr erfahren, Herrin. An einer genau festgelegten Stelle im Wald erwarten Euch die Ritter meines Herrn. Sie liegen im Hinterhalt und sind als gewöhnliche Räuber verkleidet. Mit zwei Schlingen macht man den Fahrer und den Postillion kampfunfähig, und während zwei Ritter die Zügel des Pferdegespanns übernehmen, kommen drei zu Eurer Wagentür, und mehrere weitere schneiden den Rückzug ab.«
Almodis schüttelte den Kopf.
»Meine Eskorte kämpft bis zum Tod.«
»Gerade dann müsst Ihr Eure komödiantische Begabung zeigen. Man wird Euch gewaltsam aus der Kutsche zerren und ein Messer an die Brust setzen. Wenn die Männer Eurer Eskorte klug sind, werden sie sich nicht rühren, weil sie glauben, dass ihre Herrin in Lebensgefahr schwebt. Danach spannt man die Pferde aus und jagt sie mit brennenden Fackeln in die Flucht. Nun entfernt sich die Gruppe, zusammen mit Euch, Delfín und den Damen, die Ihr angebt. Bevor ich abreise, müsst Ihr mir sagen, wie viele es sind. Eurer Eskorte macht man weis, dass es sich um eine der vielen Räuberbanden handelt, die sich in diesen Gegenden herumtreiben und ein gutes Lösegeld kassieren wollen. Sobald Euer Gatte von dem Ereignis erfährt, wird er nichts unternehmen, weil er darauf wartet, dass
man ihm die Höhe des verlangten Lösegeldes mitteilt. Es wird unmöglich sein, Männer auf unseren Spuren nachzuschicken: Der Boden ist felsig, und das Gebiet ist voller Höhlen und Verstecke. All das lässt uns genug Zeit, damit wir den zweiten Teil des Plans ausführen.«
»Worin besteht dieser zweite Teil, verehrter Herr?«
»Es ist mir nicht erlaubt, Euch das zu verraten. Aber habt Vertrauen, denn das Schwierigste liegt dann schon hinter uns.«
»Und wenn sich die Eskorte wehrt?«
»Die Ritter, die mein Herr schickt, sind die besten der Grafschaft. Eure Soldaten sind schon lange untätig. Sie verbringen ihre Zeit damit, dass sie Eure Burg bewachen und an Jagden teilnehmen. Deshalb sind sie kein ernsthafter Gegner für die kriegserprobte Truppe, die mein Herr schickt. Sie hat Erfahrungen an den Grenzen der Grafschaft, im Kampf gegen den Mauren von Lérida wie auch gegen den von Tortosa gesammelt. Habt Vertrauen, Herrin: Alles ist vorausgeplant.«
16
Laia Betancourt
Barcelona, Mai 1052
D ie Sänfte schaukelte im Rhythmus der Träger. Sie gelangte über den Cagalell-Bach und kam durch das Castellnou-Tor in den mit Mauern umgebenen Teil der Stadt. Von dort aus ließ man das Call seitlich liegen und bewegte sich an der Kathedrale vorbei, an der immer noch gebaut wurde. Dann lief man zu dem Bernat Montcusí gehörenden Herrenhaus an der Stadtmauer. In der prächtigen Sänfte saßen zwei Frauen einander gegenüber: Die eine war ein schön herausgeputztes junges Mädchen, das sich wie eine erwachsene Frau kleidete. Sie trug ein elfenbeinfarbenes Obergewand, das mit ihrer weißen Haut vollkommen harmonierte. Auf dem Kopf hatte sie ein Häubchen; dieses war mit kleinen grauen Perlen geschmückt, die die Wirkung ihrer Augen
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