Das Vermächtnis des Martí Barbany
überraschten ihn die unmissverständlichen Worte des Prälaten, und er fuhr wütend hoch.
»Was veranlasst Rom, sich in Angelegenheiten einzumischen, die einzig und allein mich angehen, zumal noch überhaupt nichts geschehen ist?«
Die Stimme des Bischofs klang geduldig.
»Ihr wisst, dass sehr wohl etwas vorgefallen ist und dass man einen Plan ausgeheckt hat, zu dem mehrere perverse Manöver gehören. Als Erstes die unverdiente Verstoßung einer Gattin, die Ihr vor kaum einem Jahr geheiratet habt. Dann, einem Grafen, der so höflich war, Euch als Gast in seiner Burg zu empfangen, die Frau zu rauben, um sie schließlich als Beischläferin zu nehmen, denn dies und nichts anderes steckt im Grunde hinter einem solch unseligen Vorhaben.«
Ramón hielt sich zwar zurück, doch seine Stimme bekam einen drohenden Unterton.
»Zunächst einmal muss ich Euch sagen: Ich glaube, es steht mir rechtmäßig zu, zum ersten Mal in dem, was meine Gefühle betrifft, über mein Leben zu bestimmen. Rom weiß, dass ich ein treuer Untertan gewesen bin, der einen großen Teil seiner Jugend für die politischen Vorteile der Grafschaft geopfert und die Interessen der Kirche stets sorgfältig berücksichtigt hat. Zweimal habe ich eine Gattin genommen, wie es meiner
Großmutter, die mit Rom so enge Verbindungen unterhält, gefiel und passte. Zweitens kann Rom gar nicht meine Absichten kennen, so gut informiert es auch sein mag. Wie jeder Fürst der Christenheit beanspruche ich das Recht, dass meine jetzige Ehe annulliert wird, ebenso wie die der Gräfin Almodis, etwas, was Rom in ihrem Fall übrigens schon zweimal getan hat und was bei den Adelsgeschlechtern der ganzen Christenheit eine alltägliche Angelegenheit ist. Ich glaube nicht, dass ich vom Papst eine weniger wohlwollende, ja herabwürdigende Behandlung verdiene.«
»Herr Graf, ich verstehe Eure Argumente, doch ich meine, dass Ihr die Pferde hinter den Wagen spannt. Ich respektiere, dass Ihr nach so kurzer Zeit die Scheidung wollt, obwohl diese Lage ungewöhnlich ist. Niemand weiß, was hinter den Mauern des ehelichen Schlafzimmers geschieht, aber Ihr müsst die kanonischen Vorschriften befolgen und dem zuständigen Gericht die Beweise oder wenigstens die entsprechende Begründung vorlegen. Wir verstehen, dass Ihr Eurer Jugend wegen wieder heiraten wollt, sobald die jetzige Ehe aufgehoben ist. Aber Ihr müsst verstehen, dass so etwas der Christenheit nicht schaden darf, indem man ein bedenkliches Beispiel gibt und die Frau eines anderen Grafen, der überdies ein treuer Untertan Roms ist, entführen will.«
»Mein lieber Bischof, als guter Mann der Kirche versteht Ihr kaum etwas von menschlichen Leidenschaften. Ihr könnt die Dinge theoretisch sehen, doch wie wenig wisst Ihr von der Hölle, die es bedeutet, in eine Frau verliebt zu sein und das Ehebett mit einer anderen teilen zu müssen?«
»Ich verstehe Euer Problem, aber vor einem Jahr wart Ihr nicht gerade ein Kind, und Ihr habt vor der ganzen Christenheit eine Verpflichtung übernommen, die für beide Seiten bindend war. Als Mann und Fürst dürft Ihr Euch jetzt nicht wegen einer vielleicht vorübergehenden Laune davon lossagen. Fürsten genießen viele Vorrechte, doch weil sie Fürsten sind, übernehmen sie außerdem andere Verantwortungen, von denen ein Mann aus dem Volk frei ist.«
Ramón geriet in Erregung.
»Rom hat sich nicht um mich gekümmert, als es meine erste Ehe erlaubte, während ich noch minderjährig war! Außerdem, was wisst Ihr schon von Launen und Leidenschaften, Guillem? Man hat mich mit Elisabet von Barcelona verheiratet, als ich noch blutjung war, und das bedeutete geradezu, dass ich erst einige Jahre später die Ehe vollziehen
konnte. Ich wurde Witwer, und meine Großmutter Ermesenda, der man, wie Ihr wisst, sich schwer widersetzen kann, hat für mich eine neue Gräfin ausgewählt: Blanca von Ampurias, die nie irgendein Gefühl in mir geweckt hat. Ich habe zugestimmt, und das eher aus Gründen der politischen Zweckmäßigkeit als aus eigenem Willen. Es interessierte meine Großmutter als rechtmäßige Regentin von Gerona, sich mit Ampurias gutzustellen. Ich habe nichts bei diesem Spiel gewonnen, und ich gab nach, weil es mir nicht darauf ankam, denn ich hatte nie die wahre Liebe kennengelernt. Jetzt, und das habe ich einer segensreichen Reise zu verdanken, die ich niemals bereuen kann, hat sich mir Cupidos Pfeil in die Brust gebohrt. Wenn er nur mich getroffen hätte, würde ich vielleicht
Weitere Kostenlose Bücher