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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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daran gewöhnt war, über Ehre und Vermögen anderer zu verfügen. Das Gefolge des Bischofs hielt vor den Toren des Grafenschlosses an, und nachdem er den Schutz der Allerheiligsten Jungfrau Maria erfleht hatte, machte er sich bereit, seinen schwierigen Auftrag in Angriff zu nehmen.
    Als der diensthabende Offizier das Wappen am Wagen und das unverwechselbare Gespann aus vier weißen Maultieren erkannte, ließ er die Wache antreten, was dem Abt offensichtlich unangenehm war. An der Tür erschien sogleich der Kammerherr des Tages. Bischof Guillem stieg unverzüglich aus dem Wagen, wobei er sich vom Postillion helfen ließ, der herbeigeeilt war und ein Fußbänkchen aufgestellt hatte, um ihm das Aussteigen zu erleichtern. Langsam lief er die Freitreppe des alten Schlosses hinauf und stützte sich dabei auf das Abtskreuz. Ein Page führte ihn in den Warteraum des Thronsaals, während der Kammerherr seinen Besuch ankündigte. Der Mann kam auf der Stelle zurück und entschuldigte sich für die Wartezeit.
    »Herr Bischof, wenn wir gewusst hätten, dass Ihr kommt, hätten wir Euch unverzüglich empfangen.«

    »Das ist nicht wichtig. Wenn mir meine Tracht nicht die Tugend der Geduld eingäbe, wäre ich nicht würdig, sie zu tragen.«
    »Der Graf hat angeordnet, dass Ihr eintretet, sobald er sich mit dem Comes Consilii besprochen hat. Die Beratung ist gleich zu Ende.«
    Der Prälat setzte sich auf die gepolsterte, vornehmen Besuchern vorbehaltene Bank. Wenig später holte ihn der Türhüter ab. Die Türen gingen auf. Eine Stimme meldete sein Eintreten, und mit langsamen und feierlichen Schritten lief Bischof Guillem von Balsareny, der sich immer noch auf seinen Amtsstab stützte, durch den Raum und befand sich nun vor Ramón Berenguer I., dem Grafen von Barcelona. Als er zu ihm kam, verneigte er sich ehrerbietig, ohne dass dies auch nur im Geringsten unterwürfig wirkte, und wartete darauf, wie es das Protokoll verlangte, dass ihn der Graf ansprach.
    Ramón Berenguer wandte sich in heiterem Ton an ihn.
    »Willkommen, Guillem. Nehmt Platz und sagt mir, welcher glückliche Umstand dazu geführt hat, dass Ihr Eure Klausur in Vic verlassen und dieses betriebsame Barcelona betreten habt, wo Ihr Euch so unbehaglich fühlt. Obendrein scheint Ihr meine Wünsche erraten zu haben, denn ich wollte Euch bald zu mir bestellen.«
    Der Bischof raffte sein weites Gewand zusammen und setzte sich in den Sessel, den ein Page gebracht hatte. Er nutzte das Stichwort, das ihm der Graf gegeben hatte, und antwortete: »Ihr wisst nicht, wie sehr ich mich freue, Herr Graf. Ich hoffe, dass diese Fügung eine gute Verständigung ankündigt.«
    Ein beinahe unmerkliches Stirnrunzeln warnte den Prälaten, dass Berenguer etwas ahnte, und er machte sich abwehrbereit.
    »Drückt Euch klar aus, Guillem.«
    Vorsichtig versuchte der Bischof, die Absichten des Grafen zu ergründen.
    »Etwas sagt mir, dass es kein Zufall ist, wenn sich meine Anwesenheit erforderlich macht und Ihr die Absicht hattet, mich vorzuladen.«
    »Ich kenne nicht den Zweck Eures Besuchs. Redet, und dann sage ich Euch, ob unsere Interessen übereinstimmen oder aber sich unterscheiden, selbst wenn es sich um dieselbe Angelegenheit handelt.«
    Bischof Guillem schickte sich an, das Zwiegespräch über die missliche Angelegenheit zu beginnen, die ihn an den Hof geführt hatte.
    »Wie es Euch gefällt, Herr Graf. Es ist der heiligen Mutter Kirche zu Ohren gekommen, dass Ihr kurz davorsteht, eine der unsinnigsten Taten
zu begehen, die ein Fürst, der Christ und Diener des Papstes ist, überhaupt verüben kann.«
    »Was für einen Frevel meint Ihr?«, fragte Ramón Berenguer missgelaunt.
    »Da Euch diese Worte nicht erschrecken, will es mir scheinen, dass Ihr wisst, was ich meine.«
    »Bischof, geben wir uns nicht mit Winkelzügen ab. Wir beide kennen die Geschichte, und es wird besser sein, dass wir den Tatsachen als Leute von Welt ins Auge sehen.«
    »Gut«, sagte der Abt und stieß unwillkürlich einen Seufzer aus. »Ich wollte behutsam und diplomatisch vorgehen, aber wenn Ihr es vorzieht, dass wir gleich zur Sache kommen, dann richte ich mich danach. Aus Rom habe ich die direkte Anweisung erhalten, dass ich als Vertreter des Heiligen Vaters vor Euch erscheine und Euch bitte, dass Ihr Euch den unvernünftigen Gedanken aus dem Kopf schlagt, Doña Blanca zu verstoßen, um die jetzige Gattin des Grafen Pons von Toulouse als Kebsweib zu nehmen.«
    Obwohl der Graf so etwas erwartet hatte,

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