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Das Vermächtnis des Martí Barbany

Das Vermächtnis des Martí Barbany

Titel: Das Vermächtnis des Martí Barbany Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chufo Lloréns
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beim Aufbruch hatte er den Befehl erhalten, den Wald von Cerignac zu durchqueren, bevor es dunkel wurde. In der Kutsche befanden sich Gräfin Almodis, der Hofnarr Delfín und Lionor, ihre erste Kammerfrau. Die Gräfin von Toulouse hatte diese höchst sorgfältig unter allen Hofdamen ausgewählt, weil sie ihr uneingeschränkt vertraute und weil sich diese trotz aller drohenden Gefahren entschieden hatte, ihre Herrin zu begleiten und ihr Schicksal zu teilen.

    »Delfín, ich glaube, der Augenblick ist gekommen«, flüsterte Almodis.
    Der Zwerg rutschte aufgeregt hin und her.
    »Gewiss, Herrin, wir kommen zur Mitte des Waldes. Seid Ihr bereit?«
    »Ich bin längst bereit, seit jenem fernen Tag, als der Graf das Schloss besucht hat. Das Warten richtet mich zugrunde«, antwortete Almodis seufzend.
    »Meint Ihr, dass alles gut ausgeht, Herrin?«, fragte die auffällig blasse Lionor.
    Als Almodis ihrer Kammerfrau antworten wollte, knirschte und schwankte der Wagen, weil scharf gebremst wurde. Von draußen hörte man einen Hagel von Flüchen und danach Hufeklappern. Aus den Baumwipfeln waren zwei Schlingen herabgesaust, die sich um die Taille des Fahrers und des Postillions zusammenzogen und sie über dem Wagen hochrissen. Die Wagentür an der Wegseite öffnete sich schlagartig, und davor erschien das geschwärzte Gesicht des Gilbert d’Estruc, den ein weiterer bärtiger und gefährlich aussehender Kerl begleitete.
    Ein paar knappe Befehlsworte forderten die Insassen auf, aus dem Wagen zu steigen. Sobald Almodis den Fuß auf die Erde gesetzt hatte, erkannte sie an Gilbert d’Estrucs Haltung, dass die Eskorte bereit war, ihre Gräfin zu verteidigen, und dass man sich darum für die zweite Variante des Plans entscheiden musste. Alles geschah in einem Augenblick. Ein Pfeilschaft drang unter die Achsel des Anführers der Männer von Toulouse. Eine ganze Verbrecherbande umringte die Truppe. Die Männer, die vor dem Wagen geritten waren, wurden zum Absteigen gezwungen und entwaffnet. Lionor und Delfín waren ausgestiegen und warteten an Almodis’ Seite, ohne dass sie es wagten, ein Wort von sich zu geben. Von den unteren Zweigen der dicht belaubten Bäume sprangen drei Armbrustschützen mit angelegter Waffe und dem vollen Köcher auf dem Rücken. Gilbert d’Estruc und sein bärtiger Kumpan hatten sich hinter Almodis gestellt: Gilbert hielt sie an der Taille fest und hatte ihr einen spitzen Dolch an die Kehle gesetzt.
    »Wie Ihr sehen könnt, Hauptmann, wäre es unbesonnen, wenn Ihr kämpfen und Widerstand leisten wolltet. Ich glaube, Euer Herr kann eine Zeit lang ohne seine liebe Gattin auskommen, vielleicht freut er sich sogar über eine Ruhepause, bevor er eine Summe herausrückt, die für ihn nichts bedeutet und mit der wir den Winter überstehen.«

    Die Soldaten warteten auf Befehle ihres Anführers, den der Pfeil verwundet hatte und der stark blutete, während die Angreifer, von denen der eine zerlumpter als der andere aussah, aufmerksam auf den geringsten Wink des Mannes achteten, der Almodis bedrohte.
    »Hauptmann, es führt zu nichts, wenn Ihr Euch verteidigen wollt«, rief die Gräfin mit schwacher Stimme. »Die Sache ist verloren. Diese Spitzbuben wollen ja nur ein Lösegeld...« Als sie sah, dass der Hauptmann zögerte, setzte sie hinzu: »Seid unbesorgt. Sobald ich frei bin, teile ich meinem Gemahl mit, ich habe befohlen, dass Ihr Euch ergebt. Jetzt müsst Ihr um Gottes willen tun, was man Euch sagt.«
    Der Soldat zögerte immer noch.
    Gilberts Stimme ertönte herrisch, wenn auch mit einem gewissen untergründigen Spott.
    »Die Dame hat recht, Hauptmann. Eure Ehre bleibt unangetastet, weitaus mehr, als wenn Ihr mit der Leiche der Gräfin nach Toulouse zurückkehrt.«
    Der Hauptmann senkte das Schwert und befahl der Eskorte, es ihm nachzutun.
    »So ist es besser, Ihr habt klug gehandelt. Heute war Euch das Glück nicht günstig, doch Eure Haltung bewirkt, dass es für Euch ein Morgen und eine neue Gelegenheit gibt, die Ihr sonst nicht bekommen hättet.«
    Dann ging alles schnell. Man holte die Männer aus dem Sattel, ließ die Pferde des Gespanns frei und jagte sie mit brennenden Fackeln davon. Sobald sie verschwunden waren, wobei sie Zügel und Ketten mitschleiften, band jeder Angreifer ein Pferd der überrumpelten Soldaten an seinem Sattelbogen fest. Man nahm ihnen alle Spieße und Pfeile ab, und hierauf befahl d’Estruc, man solle ihnen die Dolche und Schwerter lassen. Der Fahrer und der Postillion wurden von

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