Das Vermächtnis des Martí Barbany
Ritter ist, der in keiner europäischen Kanzlei als Botschafter fehl am Platze wäre.«
Ermesenda hatte schon einen Trumpf erfolgreich ausgespielt, indem sie den alten Kunstgriff der Schmeichelei benutzte, für den die Menschen so empfänglich sind, selbstverständlich auch jene, die ihr Leben dem Dienst der Kirche widmen. Bilardi erkannte das jedoch sofort.
»Herrin, ich weiß, dass ein Mensch dreißig Tage ohne Essen überleben kann, drei, ohne Wasser zu trinken, und nur einen, ohne dass man ihm schmeichelt, und das gilt auch für Geistliche, die sich in ihrer großen Mehrheit hier in Rom der Sünde weltlicher Eitelkeit schuldig machen. Gleichwohl danke ich Euch für Eure Höflichkeit. Aber sagt mir, Gräfin: Welcher Angelegenheit haben wir die Ehre Eures Besuchs zu verdanken?«
»Ich möchte nicht glauben, dass dem Kardinalkämmerling die Botschaften unbekannt sind, die der Heilige Vater seinen Gläubigen in der ganzen Christenheit durch die Vermittlung seiner Diener schickt.«
»Herrin, der Papst handelt immer so, wie es dem jeweiligen Zeitpunkt entspricht.«
»Ich glaube nicht, dass er seine Korrespondenz persönlich erledigt. Der Pontifex maximus hat mich in einem Schreiben von einer äußerst ernsten Angelegenheit unterrichtet, und ich bin hier, um zu sehen, ob sich dieses Unrecht wiedergutmachen lässt. Ich möchte Euch bitten, dass Ihr mich nicht zwingt, zweimal dieselbe Geschichte zu erklären, und es wäre mir angenehm, wenn Ihr bei der Unterredung anwesend wäret, die sogleich stattfinden wird, denn Euer Rat und Eure Erfahrung können sowohl für den Papst als auch für diese arme und verängstigte Witwe sehr wertvoll sein.«
Bilardi dachte einen Moment nach. Während seiner langen Erfahrungen im Dienst des Papstes hatte es nie jemand gewagt, sich so kurz und bündig auszudrücken und auf die labyrinthischen Zeremonien und mysteriösen Erklärungen zu verzichten, zu denen die Botschafter aller Reiche neigten, die den Heiligen Vater aufsuchten.
»Sehr wohl, Gräfin, wenn dies Euer Wunsch ist... Ich wollte die Verwicklungen kennenlernen, die Barcelona in politischer Hinsicht beunruhigen, um dem Heiligen Vater die Geschichte vorzutragen, damit wir Zeit gewinnen. Ihr müsst verstehen, dass sich der Heilige Vater an einem Tag mit nicht weniger als zwanzig Besuchern bespricht, und darum bemühe ich mich, den Heiligen Vater im Voraus zu informieren.«
Ermesenda gab nicht klein bei.
»Monsignore, schon als kleines Kind habe ich gelernt, dass niemand eine Geschichte besser als der erklären kann, der sie am eigenen Leib erleidet. Ebenso steht es für mich fest, dass das einzige Kapital, das der Mensch nicht zurückgewinnen kann, die Zeit ist. Macht Euch keine Sorgen, bringt mich vor den Statthalter Christi, und lasst mich mit ihm reden.«
»So soll es sein.«
Guillem wechselte mit dem Kammerherrn einen flehentlichen Blick, mit dem er im Namen seiner Herrin um Verzeihung bat.
Bilardi bekundete dem Hauptmann der päpstlichen Wache mit einer autoritären Geste, dass seine Eskorte nicht erforderlich sei. Vor der Gräfin und dem Bischof ging er auf die eindrucksvollen Türen zu, die den Audienzsaal verschlossen.
Er ließ sich melden. Kaum hatte der diensttuende Haushofmeister die Ankunft der erlauchten Gäste angekündigt, da öffneten sich schon die Türflügel, und die katalanischen Besucher betraten den prächtigen Saal.
Der Abstand zwischen Tür und Thron war beträchtlich. Ermesenda schätzte, dass er mehr oder weniger das Fünffache der Weite des größten Saals betrug, den sie bisher betreten hatte. Der Papstthron stand unter einem goldenen und weißen Baldachin und auf einer Plattform, die fünf Stufen vom Boden entfernt war. All das gemahnte den Besucher daran, wie klein er war, und forderte ihn auf, vor dem Vertreter Christi auf Erden niederzuknien. Viktor II. zeigte sich in seiner ganzen Herrlichkeit. Er trug eine makellose, schneeweiße Soutane und hatte den Kopf mit der päpstlichen Tiara bedeckt, die er nur trug, wenn er die hohen Würdenträger der Erde empfing, um sie daran zu erinnern, dass er der König der Könige, die höchste herrschende Macht war und dass ihm alle irdischen Regenten unterstanden.
Ermesenda stieg die Stufen hinauf und neigte den Kopf vor dem Pontifex. Bischof Guillem tat eine Stufe weiter unten das Gleiche. Der Papst
ließ sie seinen Hirtenring küssen, und obwohl er genau wusste, wer seine Besucher waren, gestattete er, dass Bilardi sie offiziell
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