Das Vermächtnis des Martí Barbany
ahnungslos zu stellen, und fragte: »Und was kann ich tun, ich, ein armer Neuankömmling am Hofe, um Euch bei solch vielversprechenden Bemühungen zu helfen?«
»Gerade das interessiert mich am meisten. Wie Ihr einseht, seid Ihr ein junger Mann, den noch niemand kennt. Ihr seid ehrgeizig, und Pater Llobets günstige Meinung spricht für Euch. Ihr seid kein Bürger Barcelonas, und alle Eure Taten, die womöglich Neid erregen, werden von meinem Einfluss ausgeglichen. Darum glaube ich, dass die Vereinbarung Euch größeren Nutzen als mir bringt.«
»Aber, bei allem Respekt, Herr, worin soll diese Vereinbarung bestehen?«
»Das ist ganz einfach: Bei unserem ersten Gespräch habe ich verstanden, dass Ihr ein unternehmungslustiger, tatendurstiger junger Mann seid und dass Ihr im Lauf der Zeit versuchen werdet, alle Ideen zu verwirklichen, die Ihr für günstig haltet. Nun denn, all jene, die eine besondere, von mir abhängende Genehmigung benötigen, werden mit einer Abgabe belegt, die unterschiedlich hoch ausfällt, je nachdem, wie einträglich das Geschäft ist.«
Martís Gedanken arbeiteten wie ein reißender Strom: Wenn er ablehnte, würde er sich mit einer der einflussreichsten Persönlichkeiten des Hofes verfeinden; wenn er darauf einging, würde sich ihm hingegen der Weg zu allen Geschäften, die er unternehmen wollte, viel weiter öffnen. Nichts hinderte ihn daran, der Teilhaber eines anderen zu werden. Ihm blieb kein anderer Ausweg, und er entschied sich rasch.
»Ich nehme Euer hochherziges Angebot an, und darüber hinaus danke ich Euch unendlich für die Gelegenheit, die Ihr mir bietet.«
»Ich muss Euch nicht erst sagen, dass unsere Absprache vertraulich ist und dass allein Ihr und ich wissen, wie weit sie reicht.«
»Das verstehe ich vollkommen. Seid unbesorgt, ich kann ein Geheimnis bewahren.«
Zum ersten Mal verzog sich das Gesicht des Alten zu einem bedrohlichen Lächeln.
»Wenn Ihr Euch irren solltet, müsste nicht gerade ich mir Sorgen machen.«
Doch sofort entspannte sich seine Miene. Er stand auf, hob sein Glas und forderte Martí auf, mit ihm anzustoßen.
»Auf unsere großen Pläne und noch besseren Geschäfte.«
Martí schloss sich seinem Gastgeber an, und die Gläser stießen leicht zusammen.
Der Ratgeber teilte ihm mit, dass er am nächsten Tag in sein Büro kommen solle, und das Gespräch setzte sich ohne weitere Überraschungen fort. Einen Augenblick später machte sich Montcusí bereit, Martí zum Ausgang zu begleiten. Sie hatten schon die Beete hinter sich gelassen und wollten gerade den Backsteingang betreten, da setzte Martís Herzschlag aus: Von einer mürrischen Haushälterin begleitet, näherte sich ihnen das Mädchen mit den grauen Augen, das er bei der Versteigerung nur halb erblickt hatte. Als sie zu ihnen gelangte, blieb dem Alten nichts weiter übrig, als sie vorzustellen.
»Martí, hier stelle ich Euch meine Tochter Laia vor. Tochter, das ist mein neuer Freund Martí Barbany.«
Der junge Mann verbeugte sich unbeholfen und flüsterte: »Ich bin Euer untertänigster Diener, meine Dame.«
Die beiden Frauen setzten ihren Weg fort, und Martís Augen folgten ihnen. Deshalb konnte er den tückischen und hinterhältigen Blick nicht sehen, den ihm der Ratgeber zuwarf.
Bernat Montcusí sperrte sich den ganzen Nachmittag in seinem Arbeitszimmer ein. Die Nacht war hereingebrochen. Die Diener hatten das Zimmer mit Kerzen und Öllampen erleuchtet. Er bestellte einen leichten Imbiss, den ihm sein Hausverwalter auftrug, und die Dienerschaft zog sich in ihre Zimmer zurück. In dem schlossartigen Herrenhaus war kein Geräusch zu hören. Bernat Montcusí nahm einen Kandelaber, der seinen Schreibtisch erhellt hatte, und lief zu einem Raum im zweiten Stock, der immer fest verschlossen war. Er zog einen kleinen Schlüssel
aus der Rocktasche, öffnete die Tür und betrat den Raum. Er stellte den Kandelaber auf ein Tischchen und legte sich auf den Dielenboden. Seine Hände betasteten ein Bodenstück, das als Attrappe diente, und unter dem Druck seiner Finger glitt es auf einer Schiene zur Seite. Das Holztäfelchen gab das darunter liegende kleine Loch frei, und darauf drückte der Mann das rechte Auge. Gerade in diesem Augenblick zog Laia ihre Röcke und danach ihre baumwollenen Unterhosen aus. Kurze Zeit zeigte sich das Mädchen vor ihm in seiner jugendlichen Nacktheit.
Bernat Montcusí legte die linke Hand zwischen seine Oberschenkel und begann sich seiner Lust
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