Das Vermächtnis des Martí Barbany
vorstellte.
Tiefes Schweigen zog im großen Saal ein, denn das Protokoll verlangte, dass man warten musste, bis der Heilige Vater die Unterredung eröffnete.
Kraftvoll erklang die Stimme des Papstes und hallte an dem riesigen Gewölbe wider. Viktor II. war kein Diplomat wie Bilardi. Er war sich seiner Macht bewusst und konnte es sich erlauben, direkt zum Kern der Sache zu kommen, ohne seine Zeit mit unnützen Abschweifungen zu verlieren.
»Ich freue mich, Euch zu sehen, liebe Tochter, und ich danke Euch, dass Ihr so schnell auf meinen Ruf herbeigeeilt seid. Bischof Balsareny, der unser Diener und gleichwohl unser Freund ist, hat sich wie stets als sachkundig und tüchtig erwiesen. Reden wir also über die heikle Angelegenheit, die uns angeht. Ihr müsst wissen, dass ich Euren Rat erbeten habe, weil Ihr die Person seid, die sich am besten darin auskennt, was für dieses liebe Land Katalonien am angemessensten ist. Besonders ans Herz gewachsen ist es mir seit der Belagerung von Barbastro, wo dieser Euer Enkel, der uns nun so großen Grund zur Sorge bereitet, gewiss beispielhaften Mut bewiesen hat, der nicht mit dem Ungeschick übereinstimmt, das er danach gezeigt hat. Während er früher ein Bollwerk war, das die Christenheit vor der Macht der Sarazenen beschützte, ist er nun zu einem verderblichen Beispiel geworden, das allen schadet. Sprecht, Ermesenda, und versucht, alles frei darzulegen, was Euch durch den Kopf geht, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, vor wem Ihr Euch befindet. Drückt Euch so knapp und klar wie möglich aus.«
Die Gräfin, eine vollendete Diplomatin und erfahrene Komödiantin, stieß einen inbrünstigen Seufzer aus und schluchzte zugleich.
»Beruhigt Euch, Ermesenda, Ihr steht vor dem Hirten, der seine Schafe hütet. Hebt Euren Schleier und weint nicht. Ihr seid ans Ziel Eures Weges gelangt.«
Die Gräfin zog das ihre Augen verschleiernde Spitzennetz hoch und blickte den Papst direkt an.
»Danke, Heiliger Vater. Aber wenn eine schwache Frau mit all ihren Kräften gekämpft hat, um den einzigen und wahren Glauben gegen ungeheuer mächtige Feinde zu beschützen, und wenn sie sieht, wie am Ende ihrer Tage ein Spross ihres eigenen Blutes gefährdet, was sie unter so vielen Drangsalen und Mühen erreicht hat, dann erfüllen Mutlosigkeit und Angst ihre Seele, und sie denkt daran, sich zu ergeben.«
»Liebe Tochter, wir wissen von Euren Kämpfen und Eurem Herzeleid, und wir werden nicht zulassen, dass so etwas geschieht. Wir haben Euch eine Botschaft über die Neuigkeiten geschickt, die wir erfahren hatten, damit Ihr zuverlässig feststellen konntet, ob unsere Mutmaßungen berechtigt sind. Sagt mir also, was gegenwärtig in Barcelona geschieht.«
»Eure Heiligkeit, wenn Ihr keine Abhilfe schafft, gehen wir wahnsinnigen Zeiten entgegen. Mein Enkel Ramón Berenguer ist in schändlicher Leidenschaft zu einer verheirateten Frau entflammt, die, um den Schimpf noch zu verschlimmern, die Gemahlin des Grafen Pons von Toulouse ist. Das kann in Septimanien zu vielen und ernsten politischen Folgen führen. Er will mit ihr im Konkubinat leben, was ein Ärgernis für seine Untertanen ist und der Religion schadet.«
»Ihr sagt mir nichts Neues, aber ich frage nachdrücklich: Ist schon geschehen, was Ihr mir erzählt?«
»Einstweilen, vor meiner Abreise, noch nicht. Er hat bereits Blanca von Ampurias verstoßen, und das hat mich in eine schwierige Lage gebracht. Aber damit enden die politischen Probleme noch nicht. Graf Mir Geribert, der so dreist ist, sich zum Fürsten von Olèrdola zu proklamieren, wird sich die Schwäche der Grafschaft Barcelona zunutze machen, sich über die Rechte meines anderen Enkels Sancho Berenguer hinwegsetzen und sich Llobregat aneignen. Glaubt mir, Eure Heiligkeit, das lässt mich verzweifeln.«
Viktor II. überlegte einen Augenblick, ohne etwas zu sagen.
»Was schlagt Ihr vor, Gräfin, und was kann Rom tun, damit sich diese Lage zum Besseren wendet, um das Christentum Eurer Leute zu verteidigen?«
»Heiliger Vater, Ihr habt mich zu Euch bestellt, und darum denke ich mir, dass diese Lage die Kirche beunruhigt. Ich glaube, dass es von Euch abhängt, radikale Maßnahmen zu ergreifen und zu verhindern, dass dieser Wundbrand alles vergiftet. Ihr, Heiliger Vater, verfügt über die Waffe, die dieses Übel bezwingen kann.«
»Was für eine Waffe ist das, wie Ihr glaubt, Ihr, die Ihr so eng mit dem guten Volk von Katalonien vertraut seid?«
Ermesenda ließ sich nicht beirren und
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