Das Vermächtnis des Rings
nicht, was uns noch erwartet.«
Obwohl die Höhle geräumig genug war, um aufrecht in ihr zu gehen, bewegten sich Angelia und Shanna nur in gebückter Haltung auf dem steil abfallenden Weg voran.
Vorsichtig tasteten sie immer wieder mit den Händen den Boden ab, denn sie mussten jederzeit damit rechnen, dass sich vor ihnen ein Abgrund auftat. Der Weg führte sie in einer engen Linkskurve nach unten, sodass der Eingang zur Höhle schon nach wenigen Metern außer Sichtweite war. Doch dann, mit einem Mal, änderte sich die Szenerie.
Angelia und Shanna hatten eine Höhle erreicht, die in hellem Lichtschein erstrahlte, ohne dass Fackeln oder Ähnliches zu entdecken waren.
»Was ist das?«, fragte Angelia fasziniert. Sie blieb stehen und blickte sich um. Die Höhle besaß beträchtliche Ausmaße, doch war sie anscheinend völlig leer. Drei Gänge gingen von ihr ab, die gleichfalls von einer unbekannten Lichtquelle erhellt wurden und taghell waren.
»Leuchtgestein«, sagte Shanna. »Ich habe davon gehört, aber gesehen habe ich es noch nie.«
»Leuchtgestein?«, wiederholte Angelia. »Was soll das sein?«
»Es soll ein sehr altes Gestein sein«, erklärte Shanna. »Es gibt Geschichten, die zweitausend Zyklen und älter sind, in denen Leuchtgestein erwähnt wird. In ihnen heißt es, dass das Gestein die Nacht zum Tag macht. So, wie es aussieht, stimmt das ja auch.«
»Es leuchtet von selbst?«, fragte Angelia.
»Ja«, bestätigte Shanna. »Es leuchtet aus sich heraus. Manche nannten es in ihren Geschichten auch den Sonnenstein. Die Leuchtkraft vergeht nie…«
»Aber es ist kaltes Licht«, stellte Angelia fest.
»Das ist eines der Geheimnisse dieser Steine«, sagte Shanna. »Sie leuchten, aber sie erhitzen sich nicht.«
»Unglaublich.« Angelia legte eine Hand auf die Felswand, die angenehme Kühle ausstrahlte. »Wir sind auf eine Legende gestoßen.«
»Und das ist nicht die Einzige«, donnerte plötzlich eine Stimme durch die Höhle. Angelia und Shanna fuhren herum, aber niemand war zu sehen.
»Wo ist er?«, zischte Shanna.
Angelia blickte sich um und fühlte sich an ihre Jugend erinnert, an Ephoola, an ihre Zeit unter seiner Herrschaft. Der Festsaal, fuhr es ihr durch den Kopf.
»Er ist nicht hier, er spricht von einem anderen Ort aus zu uns«, flüsterte sie Shanna zu. Sie hielt Ausschau nach irgendwelchen Schächten, aber außer den drei Gängen, die weiter ins Innere führten, war nichts zu sehen.
»Seine Stimme kommt wohl aus einem der Tunnel«, mutmaßte Angelia schließlich. Sie näherten sich dem ersten der aus sich heraus leuchtenden Gänge, der schon nach wenigen Schritten eine Kurve machte, sodass nicht zu erkennen war, wohin er führen mochte. Auch beim zweiten und dritten Gang sah es nicht anders aus. »Von hier aus wüsste ich nicht, welchen Gang wir nehmen sollten, um Mohaara zu finden.«
»Verschwindet, bevor ich euch Dinge antue, die ihr lieber nicht erleben würdet«, dröhnte es durch die Höhle. Diesmal waren Angelia und Shanna vorbereitet und hatten Zeit, den richtigen Gang ausfindig zu machen. »Der mittlere«, sagte Shanna. Angelia nickte bestätigend.
Sie betraten den kreisrunden Gang, der nicht natürlichen Ursprungs zu sein schien. Das Licht der Felswände war noch intensiver als in der Höhle und stach in den Augen, sodass sie kaum sehen konnten, was vor ihnen lag.
»Geht fort, ihr werdet es bereuen«, schrie der Unbekannte, bei dem es sich um Mohaara handeln musste.
»Ich bereue es schon jetzt«, erwiderte Shanna. »Weißt du eigentlich, dass wir damit ausgerechnet dem Mann einen Gefallen erweisen könnten, der Frauen als minderwertig betrachtet?«
»Ich weiß«, sagte Angelia. »Ich baue darauf, dass er seine Einstellung ändert.«
»Ob es das wert ist«, meinte Shanna gerade, als sie das Ende des Gangs erreichten. Sie standen in einer weiteren Höhle, die noch größer war als die erste – und zudem nicht leer. Unmittelbar hinter dem Gang war eine trichterförmige Konstruktion aufgebaut, zweifellos die Vorrichtung, mit der Mohaara seine Stimme durch die Schächte dröhnen ließ. Dahinter erstreckte sich eine weitläufige Höhle, die für einen boshaften Magier überaus wohnlich eingerichtet war. Sie konnten ein bequemes Himmelbett erkennen, große, mannshohe Spiegel, einen Ofen, der im Winter für die nötige Wärme sorgte und dessen Rohr in der Höhlendecke verschwand. Schränke und Regale, die vollgestellt waren mit Gläsern und Behältnissen unterschiedlichster
Weitere Kostenlose Bücher