Das Vermächtnis des Rings
gelungen, als Mohaara entgegnete: »Sonst?«
Dem hatte Angelia nichts entgegenzusetzen. Es gab nichts, das sie hätte tun können. Jeder Versuch, einen wie auch immer gearteten Zauberspruch zu finden, scheiterte an den zuckenden Energieblitzen, die ihr die Konzentrationsfähigkeit raubten. Ein Blick in Shannas Gesicht genügte, um zu erkennen, dass es ihr ebenso erging. Sie waren blindlings in die Falle gelaufen, und Shannas Attacke auf Mohaara hatte vielleicht alles nur noch schlimmer gemacht.
»So, ich muss mich jetzt auf den Weg machen, ihr beiden Schönheiten«, verkündete Mohaara wenige Augenblicke später. Offenbar war er gewappnet, Robai gegenüberzutreten.
»Nein, hör uns doch wenigstens an«, flehte Angelia ihn an, aber Mohaara ließ sich nicht beirren. Genau genommen hatte er seinen Entschluss schon vor vielen Zyklen gefasst. Selbst wenn sie alle Zeit der Welt gehabt hätten, wäre es ihnen nicht gelungen, seinen Hass zu besänftigen.
»Und was euch angeht«, sagte er schließlich, »so müsst ihr euch nicht sorgen. Ich bin nicht ganz so böse, wie alle behaupten. Ich lasse euch am Leben. Sobald ich gegangen bin, seid ihr frei.«
Angelia wollte etwas sagen, aber Mohaara schien ihre Gedanken gelesen zu haben: »Nein, ihr könnt mich nicht aufhalten. Ich werde vor euch bei Robai sein, ganz gleich, was ihr auch versucht. Und nun lebt wohl. Wir sehen uns in Kürze wieder.«
Mit diesen Worten löste sich Mohaara vor den Augen der beiden in Luft auf, nichts blieb von ihm zurück.
»Wohin ist er verschwunden?«, fragte Angelia.
»Mohaara beherrscht die Kunst, in die Höhere Welt zu wechseln, wenn es ihm beliebt. Dort kann er jede Strecke zurücklegen, ganz gleich, wie lang sie ist, ohne dass es ihn auch nur den Bruchteil eines Augenblicks kostet«, erklärte Shanna.
Im gleichen Moment verschwanden die Blitze, sie konnten sich wieder frei bewegen. Angelia wanderte durch die verlassene Höhle und betrachtete die Einrichtung. Irgendetwas stimmte hier nicht. Sie passte nicht zu einem Magier, sie passte vielmehr zu…
»Angelia, komm!« Shanna riss Angelia aus ihren Überlegungen. »Wir müssen versuchen, Mohaara aufzuhalten.«
»Du hast doch gerade selbst gesagt, dass er für die Strecke keine Zeit braucht. Selbst wenn wir uns das Herz aus dem Leib rennen, können wir nicht rechtzeitig bei Robais Haus eintreffen.«
Shanna schüttelte den Kopf: »Wir wissen nicht, wie mächtig die beiden im Vergleich zueinander sind. Wenn sie etwa gleich stark sind, kann es eine Weile dauern, bis es einen Sieger gibt. Komm schon.«
Angelia nickte, dann rannten sie durch den leuchtenden Gang zurück in die erste Höhle, um schließlich durch die Finsternis bis zum Ausgang zu stolpern.
Draußen war es inzwischen fast dunkel geworden. Am Horizont war die blutrote Sonne zu sehen, die kaum noch genug Licht spendete, um sie den Weg finden zu lassen. Angelia und Shanna rannten, so schnell sie konnten. Sie ignorierten die Stiche, die nach mehreren hundert Schritten ihre Körper zu plagen begannen. Das Ziel, das sie vor Augen hatten, war wichtiger. Der Schmerz würde wieder vergehen, aber die Schlacht zwischen Mohaara und Robai, die vielleicht in diesem Augenblick schon tobte, würde endgültig sein. Wenn sie einen tragischen Ausgang noch verhindern wollten, durften sie sich keine Rast gönnen.
Sie erreichten den Acker, an dem sie mit dem Bauern gesprochen hatten, und im Halbdunkel der hereinbrechenden Nacht konnte Angelia in der Ferne Robais Haus erkennen. Im gleichen Moment zuckte ein gewaltiger Blitz in den Himmel, der für den Bruchteil eines Augenblicks das Dorf in gespenstisches Licht tauchte.
»Es ist zu spät«, rief Angelia außer sich, aber Shanna packte sie am Unterarm und zog sie weiter mit sich.
Als sie um die Ecke bogen, um zur Vordertür von Robais Haus zu gelangen, schien alles verloren. Mohaaras Körper lag verkrümmt im Morast der Straße, während Robai gegen die Hauswand gelehnt dasaß. Sein Kopf war blutüberströmt, er stöhnte laut. Mohaara regte sich nicht, offenbar hatte Robai doch noch den stärkeren Spruch gefunden.
Er blinzelte, als sich Angelia vor ihm niederkniete. »Habe… ich… es… geschafft?«
Angelia wandte sich zu Mohaara um, aber bevor sie etwas erwidern konnte, beugte sich Shanna über den Schwerverletzten und sagte: »Ja, Mohaara ist besiegt. Für immer.«
»Gut«, flüsterte er, während Frisia in der Tür auftauchte. Ihr Blick verriet, dass sie wusste, wie es enden musste.
Robai
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