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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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mich benannt hatte. Ich erwiderte seinen Blick und sagte nichts. Es gab nichts zu sagen.
    Vor Morgengrauen ging der Ritt weiter. Die Männer waren schweigsam und grimmig. Sie sahen einander nicht an, nur auf den Rücken ihre Vordermannes. So ritten wir, ohne viel zu reden, begleitet nur von den Geräuschen der Hufe auf dem nassen Soden und dem Knirschen von Leder und Metallgeflecht, das die Sinne abstumpfte. Mal im Trab, mal im Kanter ging der Ritt durch das weite, klamme Land, eine Armee von Geistern, die ein fremder Zwang zu einem fernen Ziel treibt.
    Meine Muskeln waren verkrampft vom langen Reiten. Die Müdigkeit sickerte mir bis in die Knochen, füllte das Mark mit Blei. Und doch hielt ich mit; ich wollte mir vor diesen Männern keine Blöße geben; denn ich wusste, dass es nicht der erste Ritt dieser Art war, den sie hinter sich brachten. Dies waren altgediente Kämpen aus vielen Kampagnen, Männer, die in den Jahren der Finsternis die dunklen Mächte in Schranken gehalten und das Volk gegen Übergriffe geschützt hatten, so gut sie es vermochten. Sie waren nur wenige, und darum mussten sie zuschlagen, wo man es am wenigsten erwartete, und wieder im Nichts, in der Weite des Landes, verschwinden, woher sie gekommen waren. Einmal hier, einmal dort, und wieder und wieder, ohne Hoffnung auf Sieg und dauernden Frieden.
    Am Abend des zweiten Tages erreichten wir ein Gehöft, wo wir für die Nacht bleiben sollten. Froh, wieder ein Dach über dem Kopf zu haben, führten wir die Pferde in die Scheuer und rieben sie mit Stroh ab, bevor wir uns selbst am Trog reinigten und den Rost und Schmutz aus unseren Gesichtern wischten. Währenddessen hatte unser Wirt auf dem Hof ein Lagerfeuer angezündet, über dem sich ein Hammel am Spieß drehte. Es kam fast so etwas wie eine festliche Stimmung auf. Wir saßen auf Strohballen und Holzbänken um das wärmende Feuer, und ich fühlte mich zum ersten Mal wie zu der Gemeinschaft gehörig.
    Auch Arthur hatte seinen Kettenpanzer abgelegt und ein Bad genommen; er trug nur noch den Kilt der Krieger des Nordens und ein weites, leinenes Hemd. Er saß mit gesenktem Kopf, die Hände zwischen den Knien und die Unterarme auf den Schenkeln aufgestützt. Auch er war müde, und jetzt, wo ich ihn zum ersten Mal bei Licht ohne Rüstung sah, merkte ich, wie jung er noch war. Er mochte kaum älter sein als ich selbst – nein, als ich selbst gewesen wäre, hätte mich nicht eine höhere Macht aus dem Gefüge der Zeit herausgerissen, um mich zu ihrem Spielball zu machen, zu einem Werkzeug, wie auch er eines war. So liegt das Schicksal der Welt in den Händen von Kindern.
    Doch bevor sich eine melancholische Stimmung meiner bemächtigen konnte, rief Caradoc: »Wer trägt uns etwas vor, das zum heutigen Abend passt? Etwas Heroisches?«
    Lachen kam auf. Ich sah einen der Gefährten, von dem ich wusste, dass sein Name Deor war, mit einem Instrument in der Hand, einer Art Harfe oder Leier. Er stand auf, stemmte sie in die Hüfte, und nachdem er die Saiten gestimmt hatte, begann er mit lauter Stimme zu skandieren:
     
    »Horcht! Wir hörten von den Herren des Hochlands
    Westlich von Albion oft in der Vorzeit,
    wie die Krieger der Clans Kühnheit bewiesen.
    Oft nahm Uther, der Edelinge Fürst,
    aus der Feinde Festen fort die Schätze.
    Er schreckte die Stämme der starken Krieger,
    bis die Völker des Tieflands Tribut ihm boten.
    Einst war er arm, doch in vielfacher Weise
    ward ihm Vergeltung durch Gottes Gnade!
    Gerecht im Gerichte und freigebig war er
    wie die goldenen Herrscher vergangener Zeiten.
    Und ein Sohn ward ihm geboren, Arthur der Junge,
    auf ihm ruht die Herrschaft und die Hoffnung
    des Volkes,
    das führerlos geworden in der Finsternis Zeiten;
    Dafür gab ihm der Herr, der Herrscher des Himmels,
    Gott der Allmächtige Macht auf Erden
    Und Ruhm beizeiten – seht, welch ein König!«
     
    Er endete auf einem Akkord. Für einen kurzen Moment herrschte Stille, dann brach Beifall los. »Wacker gesungen!«, rief Arthur. »Und wollen wir hoffen, dass der Traum von der Königskrone einst wahr wird. Dann werde ich dich nicht vergessen, Deor, und euch nicht, ihr Freunde! Slante!« Und alle riefen im Chor: »Slante!«, und ließen die Becher klingen.
    Arthur warf einen Blick in die Runde, und dieser blieb auf mir haften. »Merlin«, sagte er, »du sprichst die alte Sprache der Barden. Kannst du auch singen?«
    Ich fand mich auf einmal im Mittelpunkt des Interesses; alle sahen mich an. Ich wollte kein

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