Das Vermächtnis des Rings
Grinsen. »Tomas!«, befahl er. Einer aus seinem Gefolge, ein Knabe, trat vor. In der Hand trug er einen Stab, wie eine Lanze, nur dicker. »Es ist an der Zeit, dass wir ihnen unsere Farben zeigen. Entfalte das Banner! Unser Kriegsruf heute ist: Pendragon!«
Der Knabe zog die Umhüllung von der Spitze. Das Banner entrollte sich in der Morgenbrise: ein geflügelter Drache, gekrönt, in Gold auf Rot.
»Und was ist mit dir?«, fragte Caradoc an meiner Seite. Auch er trug Kettenpanzerung und einen altmodischen Spitzhelm mit einer breiten Nasenschiene. »Singen kannst du. Kannst du auch kämpfen?«
»Gebt mir ein Schwert, und ich werde es beweisen!«, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Hier, nimm meines!« Er gürtete das Langschwert ab und reichte es mir mitsamt der Scheide.
Ich zögerte. »Und Ihr?«
Er lachte. »Für mich – dies hier.« In seiner Hand lag eine langschäftige Axt, die Klinge blitzend von eingelegtem Silber. »Meine Vorväter kämpften damit gegen die römischen Legionen. Gegen die Nordmänner wird sie ebenso gute Dienste tun.« Und er schwang die Klinge in einem blitzenden Kreis.
Ich, der ich älter bin als die Zahl meiner Jahre und viele Dinge auf der Welt und zwischen den Welten gesehen habe, werde doch eines nie vergessen: das Erlebnis jener Hetzjagd gegen die Zeit durch den klammen Morgen. Der blutige Schimmer des Morgenlichts vertrieb die lagernden Dünste des Nebels, der sich in langen, weißlichen Bahnen aus den Niederungen hob. Die Hügel des Landes trieben wie Inseln in diesem Nebelmeer. Hartes Gras peitschte um die Hufe unserer Tiere; Sand spritzte auf. Und dann erstreckte sich vor uns in endloser Weite das Meer, lichterfüllt, ein Spiegel aus flammendem Gold in der Glut der aufgehenden Sonne.
Wir hetzten zum dumpfen Trommelwirbel des Hufschlags über den flachen Strand, der mit Tang und Muscheln übersät war.
Und mich ergriff ein Rausch, eine Vision von blitzendem Eisen und Edelstein, von wehenden Fahnen, von Kraft und Geschwindigkeit, der Rausch des Eroberers, dem sich die Welt zu Füßen legt.
Dann trennte uns nur noch eine Landzunge von dem Dorf, das zur Abtei gehörte. Wir preschten durch das flache Wasser. Und dann sahen wir sie.
Es waren vier Langschiffe. Die grellbemalten geschnitzten Tierköpfe am Bug waren aufgezogen, deutlich zu erkennen gegen den roten Himmel. Aus der Ferne drangen Schreie an unser Ohr. Möwen kreischten. Der Wind kam von der See.
Wir sahen Männer am Strand, in Fellen und mit blinkenden Helmen, Schilden und Waffen. Jetzt hatte man uns gesehen. Von den verwinkelten Gassen des Dorfes kam ein Hagel von Steinen. Hier und da sirrte ein Pfeil, um mit dunklem Aufklatschen in Holz oder Fleisch stecken zu bleiben.
Mehr Schreie. Zwischen den Häusern wurde gekämpft. Jetzt konnten wir das Weiße in den Augen unserer Gegner sehen. Es waren wilde, verwegene Männer. Sie schwenkten Äxte und Schwerter.
Die Reiter senkten die Lanzen wie auf Befehl. Dann kam der Aufprall, und alles löste sich auf in Chaos.
»Pendragon! Pendragon!«
Ein Gesicht schwamm auf mich zu, ein blondes, bärtiges Gesicht unter einem Spangenhelm, mit aufgerissenen Augen. Mein Schwert fuhr nieder, und das Gesicht verschwand. Andere nahmen seinen Platz ein; ich hackte um mich, brach mir den Weg frei.
Dann war die erste Reihe der Feinde überwunden, und ich sah, für den Bruchteil eines Augenblicks, Arthur im Getümmel, das Schwert hoch erhoben, sah, wie sein Pferd unter einem Lanzenstoß erzitterte und zusammenbrach, sah, wie er aus dem Sattel geschleudert wurde, vor die Füße der Nordmänner, die mit gezückten Äxten und Schwertern brüllend in die Gasse zwischen den Häusern stürmten.
»Pendragon!«
Ich trat meinem Pferd in die Weichen, dass es sich aufbäumte und voranschoss. Dann war ich bei ihm. Ich packte ihn mit der freien Hand und riss ihn hoch. Er hielt das Schwert immer noch in der Hand. »Aufs Pferd!« Mit derselben Bewegung, mit der ich aus dem Sattel glitt, zog ich ihn hinauf.
Dann stand ich allein vor den anstürmenden Kriegern. Aus den Augenwinkeln sah ich Caradoc und andere aus unserer Schar herbeieilen, doch ich wusste, sie würden zu spät kommen. Und doch hatte ich keine Angst. Denn ein Rauschen war in meinen Ohren, das Rauschen des Meeres, und die Macht der Woge, die immer höher stieg, um alles zu verschlingen, was sich ihr in den Weg stellte.
Aus den grünen Tiefen des Meeres ertönte Musik.
Es war ein Gesang, wie ich ihn nie bewusst gehört
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