Das Vermächtnis des Rings
zurückgekommen bin. Ich bin gewiss nicht hier, um so wie ihr – «
»Darüber können wir später noch reden«, fiel der Elb ihr ins Wort. Sein Tonfall war scharf und duldete keine Widerrede. Dann wandte er sich wieder Aylon zu und streckte ihm die Hand zum Gruß entgegen. »Wenn es sich so verhält, wie Shylena gesagt hat, dann sind wir alle Euch zu großem Dank verpflichtet. Und der Name Maziroc genießt auch bei uns seit langer Zeit einen hervorragenden Ruf. Seid uns als sein Adept auf Ai’Bon doppelt herzlich willkommen. Mein Name ist Harlin.«
»Er ist der König von dem, was einmal das stolze und mächtige Volk der Eiben war«, warf Shylena sarkastisch ein.
Der König der Eiben? Diese Eröffnung überraschte Aylon. Er musterte den Mann genauer. Wie bei allen Angehörigen seines Volkes war sein Alter schwer zu schätzen, zumal Eiben äußerst langlebig waren, doch schien Harlin noch relativ jung zu sein. Sein Gesicht mit den straff nach hinten gekämmten Haaren wies eine hohe Stirn und etwas zu weit vorstehende Wangenknochen auf, ansonsten jedoch keine Besonderheiten. Allerdings umgab ihn eine unverkennbare Aura großer Würde. Es war kein Charisma, wie Aylon es bei besonders starken und mächtigen Männern erlebt hatte, eher ein fast ätherisches Fluidum aus Abgeklärtheit und Weisheit.
»Ich danke Euch für Eure Einladung und auch für Eure Hilfe, König Harlin«, antwortete er. »Zwar habe ich Shylena geholfen, aber wir wären beide ein Opfer der Duuls geworden, wenn Eure Leute nicht genau im richtigen Moment gekommen wären und uns gerettet hätten.«
»Wir tun, was wir können, um denen beizustehen, die durch die Duuls in Gefahr geraten«, sagte Harlin bescheiden.
»Du meinst, was ihr tun wollt«, verbesserte Shylena mit zorniger Stimme und schnitt eine Grimasse. In diesem Moment erinnerte sie Aylon weniger an eine Halbelbin als an eine kampfeslustige Amazone. »Und das ist wenig genug.«
Aylon bemühte sich, sich seine Verwunderung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Er gehörte nicht zu denen, die Eiben als beinahe übermenschliche Wesen betrachteten und verehrten. Aber auch er empfand großen Respekt und eine gewisse Ehrfurcht vor diesem uralten und einst ungeheuer mächtigen und weisen Volk – und vor allem vor seinen Königen. Er wusste nicht, was zwischen Shylena und Harlin vorgefallen war und weshalb sie ihn so offen und respektlos attackierte, aber es musste mehr als nur eine kleine Meinungsverschiedenheit sein, und es schien etwas mit den Duuls und dem Leben der Eiben hier auf dieser Insel zu tun zu haben. Er beschloss, sie bei der nächstbesten Gelegenheit danach zu fragen. Sie schien ihm noch einiges erklären zu müssen.
Harlin reagierte auch auf ihre erneute Provokation nicht, lediglich sein Lächeln wurde eine Spur kühler. »Ihr seid sicherlich erschöpft von der Reise und dem Kampf.« Er winkte eine junge Eibenfrau herbei. »Karva wird Euch Eure Gemächer zeigen, wo Ihr Euch ausruhen könnt. Zu Ehren Eurer Ankunft werden wir heute Abend ein kleines Festbankett veranstalten. Dann werden wir genug Zeit haben, uns über alles zu unterhalten.«
»Das werden wir, denn es ist dringend nötig«, entgegnete Shylena kühl.
»Habt vielen Dank für Eure Gastfreundschaft«, sagte Aylon. Er rang kurz mit sich, dann überwand er seine Scheu. »Da ist noch etwas, um das ich Euch bitten möchte. Ich war zu Pferde unterwegs, und während der Flucht musste ich das Tier zurücklassen. Es steht am westlichen Rande des Waldes angebunden und wird sterben, wenn sich niemand um es kümmert. Außerdem befinden sich in den Satteltaschen einige Skiils und andere unersetzliche Dinge. Ich weiß, dass es angesichts der Gefahr durch die Duuls viel verlangt ist,
aber – «
»Larkon wird mit einigen Begleitern noch einmal hinüberfliegen und sich um Euer Pferd und Eure Habe kümmern«, versprach Harlin. »Sie werden so schnell sein, dass die Duuls sie gar nicht erst bemerken. Immerhin sind sie Eiben.«
»Ja, sie sind es noch«, stieß Shylena mit sonderbarer Betonung hervor und wandte sich dann so schnell um, dass Aylon und Karva Mühe hatten, mit ihr Schritt zu halten.
Das Gemach, in das Aylon geführt wurde, war so groß und so prachtvoll eingerichtet, dass es eines Königs würdig gewesen wäre. Dennoch zögerte er, einzutreten, und drehte sich noch einmal zu Shylena um.
»Wir müssen miteinander reden«, sagte er. »Ich habe so viele Fragen, dass ich unmöglich bis heute Abend auf die
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