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Das Vermächtnis des Rings

Das Vermächtnis des Rings

Titel: Das Vermächtnis des Rings Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Bauer
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den unterirdischen Stollen magisch zu verschließen.« Sie seufzte. »Nun, wir mussten einen hohen Preis dafür zahlen, dass wir Ai’Bon verließen. Ohne den Zauber dieses heiligen Bodens verloren wir unsere Unsterblichkeit. Wir wurden körperlich und alterten wie jedes andere Geschöpf auch. Nach und nach breiteten wir uns in Arcana aus, wurden zu einem der größten und mächtigsten Völker, bis auch wir schließlich unseren Zenit überschritten und anderen, jüngeren Völkern wie den Menschen weichen mussten. Im Vergleich zu unserer einstigen Macht waren wir schon schwach, als die Dämonen vor mehr als tausend Jahren erstmals nach Arcana kamen und Ai’Lith, die als uneinnehmbar geltende Hohe Festung unseres Volkes, zerstörten. Zahllose Eiben verloren im Kampf gegen die Invasoren damals ihr Leben, und davon haben wir uns niemals erholt. Heute gibt es nur noch wenige von uns, nicht viel mehr als die, die hier leben.«
    Shylena verstummte, und auch Aylon schwieg eine Weile, noch ganz im Banne dessen, was er gerade gehört hatte.
    »Das ist eine traurige Geschichte«, stellte er schließlich bedrückt fest.
    »Nein«, widersprach Shylena. »Sie entspricht dem natürlichen Lauf der Welt. Indem wir Ai’Bon einst verließen, haben wir uns den Gesetzmäßigkeiten dieser Welt unterworfen. Alles muss irgendwann vergehen, um etwas Neuem Platz zu machen. Auch den Menschen wird es irgendwann so ergehen.«
    »Und deshalb seid ihr hierher zurückgekehrt?«
    »So ist es«, bestätigte sie. Ihr Gesicht verdüsterte sich noch weiter, und ein unbestimmbarer Schmerz spiegelte sich in ihren Augen. »Der Weg zurück schien uns für immer verwehrt, denn der unterirdische Gang war versiegelt, und nachdem wir unsere Unschuld verloren und ein Teil der normalen Welt geworden waren, hielt auch Mjallnir uns nicht mehr für würdig, uns über den See zu tragen. Selbst die Lage von Ai’Bon geriet irgendwann in Vergessenheit.«
    »Und doch seid ihr jetzt wieder hier.« Neugierig blickte Aylon die Halbelbin an.
    »Als abzusehen war, dass unser Ende nahte, machten Harlin und viele andere Eiben es sich zur Lebensaufgabe, das verlorene Paradies wiederzuentdecken«, erklärte Shylena. »Schließlich fanden sie Ai’Bon wirklich, und sie flehten Mjallnir so lange an, den Letzten unseres dem Untergang geweihten Volkes die Rückkehr in ihre Heimat zu gestatten, bis ihre Bitten den Greif rührten und sein Herz erweichten. Nahezu alle Eiben sind seither Harlins Ruf gefolgt und nach Ai’Bon gekommen. Nur wenige haben darauf verzichtet oder sind nach einem Besuch wieder in die normale Welt zurückgekehrt – so wie ich.«
    Erneut legte sie eine Pause ein und starrte gedankenverloren in das Wasser des Brunnens. Aylon wartete geduldig, und erst als er erkannte, dass sie nicht von sich aus weitersprechen würde, ergriff er selbst das Wort.
    »Warum willst du nicht hier leben?«, fragte er.
    »Es geht nicht nur darum, sich hier niederzulassen«, erwiderte Shylena mit ungewohnter Heftigkeit. »Wenn es nur das wäre, hätte ich gar nichts dagegen, obwohl ich mir schlecht vorstellen kann, mein ganzes restliches Leben an nur einem Ort zu verbringen. Dafür habe ich wohl zu viel Menschenblut in mir. Es ist vielmehr…« Sie brach ab und schüttelte den Kopf. »Ich habe dir bereits mehr erzählt, als ich wollte. Alles Weitere betrifft allein uns Eiben.«
    Aylon bemühte sich, sich seine Enttäuschung nicht allzu deutlich anmerken zu lassen. Im Grunde hatte Shylena recht. Kaum ein Mensch dürfte jemals so viele Geheimnisse des Elbenvolkes erfahren haben wie er an diesem Tag, und so neugierig er darauf war, auch den Rest zu erfahren, wollte er Shylena doch nicht drängen.
    Eine Weile lang saßen sie schweigend beisammen und hingen ihren Gedanken nach. Als er zum wiederholten Male ein Gähnen unterdrücken musste, stand Aylon schließlich auf. »Ich werde wohl besser Harlins Rat befolgen und mich etwas hinlegen«, erklärte er. »Ich bin ziemlich müde.«
    »Tu das«, entgegnete Shylena und erhob sich ebenfalls. »Ich werde in der Zwischenzeit zu Harlin gehen. Bevor ich mich heute Abend an die Elbenversammlung wende, muss ich mit ihm unter vier Augen sprechen. Findest du allein zurück?«
    Aylon nickte. Durch die ringförmige Anlage der Stadt war es fast unmöglich, sich zu verlaufen, und er besaß einen guten Orientierungssinn. »Bis heute Abend dann«, verabschiedete er sich und machte sich auf den Rückweg zu seinem Quartier.
     
     
    Aylon schlief fast

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