Das Vermächtnis des Rings
kannten.
Sein Eingreifen entschied den Kampf. Auch die Fremde blickte ihn einen Moment lang überrascht an, ohne dabei jedoch im Kämpfen innezuhalten. Im Gegenteil, sie nutzte die Verblüffung der Gnome, um einen weiteren von ihnen niederzustrecken, wodurch sie es nur noch mit zwei Gegnern zu tun hatte.
Dafür geriet Aylon selbst in arge Bedrängnis. Er war kein Krieger. Nur mit knapper Not konnte er sein Schwert herumreißen und einen Hieb des zweiten Gnoms mehr schlecht als recht parieren. In ungünstigem Winkel klirrten die Klingen Funken sprühend gegeneinander. Ein heftiger Schmerz zuckte durch Aylons Handgelenk und pflanzte sich seinen gesamten Arm bis zur Schulter hinauf fort, sodass ihm um ein Haar die Waffe aus der Hand geprellt worden wäre und er nur mühsam einen Aufschrei unterdrücken konnte.
Aber auch der Gnom geriet aus dem Gleichgewicht, taumelte einen Schritt nach vorne und prallte fast gegen seinen Gegner. Instinktiv packte Aylon zu. Er bekam das Gewand des Angreifers zu packen und hielt es fest, während er einen Schritt zurückwich. Knirschend zerriss der Stoff. Das mit Abstand hässlichste Wesen, das Aylon jemals zu Gesicht bekommen hatte, kam darunter zum Vorschein. Der Körper war ausgemergelt, fast mitleiderregend dürr. Aylon hätte seinen gesamten Oberkörper mühelos mit den Händen umfassen können. Unter der grünlich-braunen, lederartigen Haut zeichneten sich deutlich die Knochen ab. Spitze Fledermausohren wuchsen aus dem kugelrunden, haarlosen Schädel des Gnoms. Die Nase bestand nur aus zwei Schlitzen, und der Mund sah aus wie eine schwärende Wunde.
Das Schlimmste jedoch waren die Augen. Sie waren groß und rund und schimmerten leicht rötlich, mit einer geschlitzten Pupille wie bei einem Reptil. Ein so abgrundtiefer, boshafter Hass stand in ihnen geschrieben, dass er fast körperlich spürbar war und Aylon erschrocken einen weiteren Schritt zurückwich.
Der Gnom stieß einen schrillen, wütenden Schrei aus und riss sein Schwert zu einem neuen Hieb hoch, doch kam er nicht mehr dazu, ihn auszuführen. Seine Augen weiteten sich plötzlich; der Hass wich aus ihnen und machte einem Ausdruck fassungslosen Staunens Platz, um gleich darauf dem Schmerz zu weichen. Er öffnete den Mund, doch noch ehe er einen Laut herausbrachte, brach er zusammen und blieb reglos liegen.
Die Unbekannte bückte sich, wischte ihr blutiges Schwert, mit dem sie ihn von hinten durchbohrt hatte, an seinem zerrissenen Gewand sauber und richtete sich wieder auf.
»Danke«, stieß sie mit glockenheller Stimme hervor. »Wenn du nicht gekommen wärst… Ich glaube nicht, dass ich allein mit ihnen fertig geworden wäre.«
Der Blick ihrer tiefblauen Augen schien sich geradewegs in Aylons Innerstes zu bohren. Ihr Gesicht war von Anstrengung und Schmerz gezeichnet, dennoch wirkte es jetzt, da sie lächelte, noch liebreizender als zuvor. Der Anblick betörte ihn, und sein Kopf war plötzlich wie leergefegt. Mehr denn je kam sie ihm wie eine übernatürliche Erscheinung vor. Es erschien ihm nahezu unmöglich, dass es einen Menschen von solcher Schönheit und Vollkommenheit geben konnte. Gleich darauf fiel ihm auf, dass ihre Ohren spitzer als die eines Menschen waren. Zusammen mit ihrem weißblonden Haar ließ das nur einen Schluss zu.
»Du… bist eine Elbin!«, war alles, was er stammelnd hervorbrachte.
»Eine Halbelbin«, verbesserte sie. »Mein Vater war ein Elb, meine Mutter ein Mensch. Ich heiße Shylena.«
»Und ich bin Aylon.« Er deutete auf die toten Gnome. »Was… was waren das für Kreaturen?«
»Duuls«, erwiderte sie voller Abscheu. »Hässliche, boshafte Gnome, der Schrecken dieses Landstrichs. Ohne sie könnte dies ein paradiesischer Flecken Erde sein, aber die Duuls dulden niemanden in ihrer Nähe. Sie scheinen nur aus Hass zu bestehen, Hass auf alles, das nicht ist wie sie. Und ein Friede mit ihnen ist unmöglich, wie sich herausgestellt hat.« Sie blickte sich hastig um. »Komm jetzt, wir müssen weg von hier. Sie werden nicht ewig tot sein, und außerdem sind bestimmt noch mehr von ihnen in der Nähe.«
Aylon grübelte erst gar nicht lange darüber nach, was ihre mysteriösen Worte zu bedeuten hatten. »Mein Pferd ist ganz in der Nähe. Es wird auch uns beide eine Zeit lang tragen können.«
Shylena schüttelte den Kopf. »Nein, wir müssen zum See. Nur auf Ai’Bon sind wir in Sicherheit. Und jetzt komm, die Duuls sind schon ganz nahe.«
Aylon zögerte noch einen Moment, dann sah er etwas,
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