Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
außer durch einen Mittler, war zunächst lächerlich, dann ärgerlich und am Ende nichts als eine weitere Verschrobenheit in einer Familie, in der Verschrobenheiten ganz normal waren.
Unter den Hochzeitsgeschenken war ein Samowar aus Messing, ein wirklich kostbares Stück, wertvoller als alles andere, was meine Großeltern besaßen. Meine Großmutter konnte diesen Samowar nicht leiden, der wie ein Abszess in der Ecke des Raumes stand und poliert werden wollte. Er war übersät mit Rillen und Schnecken und grinsenden Blumengirlanden, in denen sich der Schmutz absetzte und die das Staubtuch nicht erreichte, und kaum hatte sie ihn poliert, lief er wieder an, sodass sie nie damit fertig wurde.
Sie benutzte den Samowar fast nie, nur zu besonderen Gelegenheiten; zum Beispiel wenn ihre Schwägerinnen sie besuchten. Dann kochte sie Tee und stellte ihn auf den Tisch, um ihnen zu schmeicheln. Sie hatte keine Ahnung, dass ihre Schwägerinnen den Samowar fast ebenso verabscheuten wie sie. Sie dachten, sie wolle nur damit angeben und ihre Aufmerksamkeit auf ihre reichen Bekannten lenken. Also schmeckte ihnen der Tee aus Prinzip nicht, der aus dem Samowar kam, und sie tranken ihn nur schlückchenweise wie Gift. Wenn sie gegangen waren, fand meine Großmutter überall im Zimmer halbvolle Gläser mit kaltem Tee. Insgeheim begehrten sie den Samowar alle, aber sie hätten ihrer Schwägerin nie die Befriedigung gegönnt, ihn zu bewundern. Sobald sie aus dem Haus waren, mäkelten sie an allem herum: den Möbeln, den Utensilien, dem Schmutz in den Ritzen des Samowars, den Kleidern meiner Großmutter und ihren Meinungen, mit denen sie nicht hinterm Berg hielt. Und als einige Jahre später der Bruch kam, der meinen Großvater dauerhaft von seinen Schwestern trennte, bekam der Samowar den Großteil ihrer Bosheit ab.
Zu dieser Zeit lebten meine Großeltern in einer Zweizimmer-Wohnung in der Jaffa-Straße. Das lag daran, dass der dicke Schwager Zweiger, Hannah Raisl und ihre sechs Kinder jetzt den gesamten Platz im Haus mit der Hand beanspruchten. Zu Fuß waren es zwanzig Minuten von der Wohnung zur Klagemauer - Shalom Shepher rügte seinen Sohn dafür, indem er die Schrift falsch zitierte: »Wenn der Tempel zu weit ist, bist du selbst schuld.«
Drei Monate nach der Hochzeit erklärte Leah sich für schwanger, und Joseph, der als Hilfslehrer an der Religionsschule unterrichtete und kaum mehr als ein Butterbrot verdiente, ging auf der Suche nach Arbeit zu seinem Schwager. Zweiger behauptete von sich, Uhrmacher zu sein, aber tatsächlich konnte er Uhren nur reparieren, und auch das tat er nur gelegentlich, sodass seine Frau mit dem Mehlgeschäft ihrer Mutter das Geld verdienen musste. Dennoch bettelte Joseph ihn um Arbeit an.
Zweiger zuckte mit den Schultern.
»Kennst du dich mit Uhren aus?«, fragte er.
»Du weißt doch, dass ich das nicht tue«, antwortete der junge Mann. »Aber ich könnte es bestimmt schnell lernen.«
Zweiger zog eine Augenbraue hoch, als hätte ihn das verletzt. »Im Gegenteil! Es dauert viele Jahre, die Fertigkeiten eines Uhrmachers zu erlernen. Und auch dann geht es nur, wenn man das Talent dazu hat.«
»Ich bin sicher, dass ich genau der Richtige wäre.«
»Darüber lässt sich streiten, aber ich habe ja sowieso schon einen Lehrling«, er zeigte auf seinen siebenjährigen Sohn, »und kann mir nicht noch einen leisten.«
»Aber ihm zahlst du doch gar nichts!«
»Nein, er verdient seinen eigenen Unterhalt, und ich fürchte, es gibt einfach nicht genug Arbeit, damit du das auch tun könntest. Du solltest beim Unterrichten bleiben.
Es kann doch für einen Juden nicht schwieriger sein, in dem Gewerbe Geld zu verdienen als in meinem.«
Mein Großvater gab die Idee von der Uhrmacherei auf und blieb bei seiner Berufung, die heilige Sprache dazu einzusetzen, die heilige Sprache zu lehren; ein Sakrileg, für das ihm einmal ein Nachttopf über dem Kopf ausgeleert wurde und für das ihm das Kultusministerium später eine Medaille verlieh.
Er und meine Großmutter waren ein modernes Paar: Er trug seine Schläfenlocken kurz und tauschte den Kaftan gegen ein europäisches Jackett. Sie trug das Haar unter einem geblümten Tuch. Die Schwägerinnen pflegten zu sagen: »Die sehen aus wie Pauschaltouristen.« Sie sprachen Hebräisch miteinander und wurden einmal, was manche für einen Skandal hielten, sogar in der Oper gesehen.
In ihrem Wohnzimmer hing eine gerahmte Fotografie von Theodor Herzl, die sie immer umdrehten
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