Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman
Liebesleben. Du weißt doch, in meinem Herzen ist für niemanden Platz außer dir.«
Der Arm meines Onkels zitterte, als er mir das Knie drückte. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er ein starker Mann gewesen. Jetzt, im Alter, saß er in der hochgelegenen Wohnung und hörte Radio, aß sein Mittagessen wie ein Schuljunge am Küchentisch und machte nachmittags brav sein Schläfchen. Vormittags arbeitete er an der handschriftlichen Geschichte seiner Firma, um die der Generaldirektor ihn gebeten hatte. Vielleicht war es Cobby gar nicht bewusst, dass das nur ein Trick war, um ihn im Ruhestand, in den er nicht wollte, glücklich zu machen.
»Wir haben jetzt Kabel«, erzählte er mir mit dem Gebaren eines Mannes, der etwas erreicht hat im Leben. Zwar war ich nach zwanzig Jahren zurückgekehrt wie die verlorene Nichte, aber er wollte keine Folge der amerikanischen Soap verpassen, die er täglich schaute, und so sahen wir sie uns gemeinsam an, während Fania das Abendessen vorbereitete.
»Du bist immer ein braves Mädchen gewesen, Shula.« Er knuffte mich.
»Ja, das bin ich wohl.«
»Deine Mutter und dein Vater wären stolz auf dich. Was für eine Frau! Und dieses Haar.« Er berührte meine langen Locken. »Schade, das mit Reuben. Was ist bloß schiefgelaufen mit dem Jungen?«
»Zu einem Tugendlamm gehört wohl ein schwarzes Schaf.«
Er antwortete nicht. Er atmete mir ins Ohr: »Weißt du, ich hoffe immer noch, dass du eine Familie gründest.«
»Cobby«, erinnerte ich ihn, »ich bin nicht mal verheiratet.«
»Trotzdem. Der Mensch sollte Kinder haben.«
»Cobby«, sagte ich, »ich bin fast vierzig.«
»Vierzig! Du bist doch nicht vierzig.« Er lehnte sich erstaunt zurück und studierte mein Gesicht. »Kaum zu glauben. Die kleine Shula. Vierzig!«
Später saß ich im Durcheinander seines Arbeitszimmers auf einem billigen Bürostuhl zwischen Stapeln von Aktenordnern und Dokumenten, und er maß meinen Blutdruck. Die Manschette fühlte sich seltsam an, so eng um meinen Arm gewickelt. Plötzlich hatte ich Angst davor, was er herausfinden würde.
»Dieser Kodex, den Saul gefunden hat«, sagte ich. »Ist der wichtig?«
»Wer hat denn behauptet, Saul hätte ihn gefunden? Den habe ich selbst gefunden.« Er pumpte noch ein paar Mal und überprüfte die Anzeige. »Er könnte ziemlich alt sein. Mit dem Blutdruck kann man gar nicht genug aufpassen. Nicht zu viel Salz.«
»Woher stammt er denn?«
Cobby nahm mir die Manschette ab. »Wer weiß? Mein Freund Shloime im Institut sieht es sich mal an. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Iss nicht zu viele Bananen. Die stopfen.«
»Ich mag Bananen nicht mal.«
Er faltete die Manschette zusammen und räumte sie weg. »Sogar meine Cousine Sara Malkah ruft mich an. Wo Geld ist, ist Ärger. Was will man machen?«
»Dieser Mann, der gerade gegangen ist, als ich kam …«
»Der Frummer - der Religiöse?«
Ich nickte. »Er lungert auch vor dem Haus herum.«
Cobby zuckte die Achseln. »Na und? Er will ihn sehen. Alle wollen ihn sehen. Sie kommen jeden Tag - die ganzen Frummen . Manchmal lasse ich sie. Manchmal nicht.«
»Meinst du, ich könnte ihn sehen?«
»Wofür denn? Interessiert dich so was wirklich?«
Ich lächelte ihn erstaunt an. »Cobby. Ich bin Dozentin für Bibelwissenschaft. Was glaubst du denn? Natürlich interessiert mich das.«
Er zog eine Grimasse. »Na dann, warum nicht. Aber der Kodex ist nicht hier«, fügte er hinzu. »Mein Freund Shloime hat ihn im Institut. Ich muss ihn fragen. Wir sind ein bisschen wählerisch bei den Leuten, die ihn sehen wollen.«
Er zwinkerte mir zu und ging. Seufzend fand ich mich mit meiner beklagenswerten Glanzlosigkeit in der akademischen Welt ab. Mein Blick fiel auf die Dinge auf den übervollen Regalen: Medikamentenpröbchen, gerahmte und schon verblasste Fotografien der Enkelkinder, eine silberne Bonbonschale mit den Emblemen der zwölf Stämme Israels, ein Hochzeitsgeschenk für meinen Onkel Ben Zion, das sie bei seinem Tod zurückbekommen hatten. Es waren sogar Bücher dort, an die ich mich noch aus meiner Kindheit erinnerte: Das Leben der Madame Curie, Anorganische Chemie und die alte, grau gebundene Ausgabe von Stalins Grundlagen des Leninismus , deren Anfangssätze Reuben und ich einmal auswendig gelernt hatten, um unsere Freunde damit zu beeindrucken:
Der Leninismus ist der Marxismus
in der Epoche des Imperialismus
und der proletarischen Revolution.
Ist diese Definition richtig?
Ich glaube, dass sie
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