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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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war?«
    »Wer?«
    »Abba. Im Krieg.«
    »Er ist mit Dizengoff in den Norden gegangen.«
    »Nein. Er war nicht im Norden.«
    »Also, woher soll ich das denn wissen? War ich dabei?« Aus der Küche erhob sich ein Geklapper von Töpfen und Pfannen.
    Höchstwahrscheinlich hatte er sich irgendwo versteckt, sich mit Unterricht und Feldarbeit über Wasser gehalten, und hatte, so viel er konnte, an seine Familie geschickt, die er allein gelassen hatte. Jeden Tag kamen widersprüchliche Nachrichten über das Vorrücken der Briten, die seine Hoffnungen schürten und gleich wieder zunichtemachten.
    »Er ist nie in den Norden gegangen«, sagte Cobby. »Was für ein Unsinn. Da hätte er hinter den feindlichen Linien in der Falle gesessen.«
    Cobby erinnerte sich an die letzten Kriegstage. Die türkische Armee war in Auflösung begriffen: Soldaten desertierten in Scharen, wurden vereinzelt wieder eingefangen, liefen wieder davon. Einige wurden gehängt, um ein Exempel zu statuieren. Es war unmöglich, sie alle zu exekutieren. Die Felder wurden weiß, wo die Truppen ihre Hemden zum Entlausen in die Sonne legten. Die Soldaten stolperten
durch die Straßen Jerusalems, halb verhungert und halb nackt, und bettelten um Brot.
    » Ekmek, ekmek «, sagte er. »An das Wort erinnere ich mich.«
    Ein Luftzug wehte vom Balkon über seinen Sessel, die Blätter der Topfpalme flatterten leise über seinem Kopf. Er hätte auch in Monte Carlo sitzen können, nur dass der Geruch von Stein in der Luft so typisch für Jerusalem war. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, wie aus dem jungen Cobby der Mann von heute geworden war. Er war alt, im Laufe der Zeit verkrustet und vernarbt wie ein Wrack im Meer. Ich versuchte, ihn mir jung vorzustellen. Ich dachte an sein Bild im Fotoalbum, sein dunkel gelocktes Haar.
    Es fiel ihnen schwer zu akzeptieren, dass ich älter geworden war, dass ich eine erwachsene Frau war, nicht mehr das kleine Mädchen, das sich schüchtern am Vater festhielt, oder der trauernde Teenager, der ihn begraben hatte; nicht mehr das schweigsame Anhängsel einer dominanten Mutter, dessen einzige Ausdrucksmöglichkeit darin lag, manchmal nach dem Abendessen das Ma’alot-Lied zu singen. Es fiel ihnen schwer zu akzeptieren, dass ich andere Entscheidungen getroffen hatte, dass ich andere Ziele hatte, dass ich mich geweigert hatte, den Erwartungen zu entsprechen, ebenso wie schon meine Eltern und vor ihnen ihre Eltern.
    »Aber was bringt dir das?«, hatte Fania gefragt, als ich ihr meine wissenschaftliche Arbeit beschrieb, meine Leidenschaft für Texte, meine langen Abende in der Bibliothek. »Was für einen Sinn hat das? Wohin führt es?« Es war aussichtslos, sie davon überzeugen zu wollen, dass ich meine Arbeit liebte, und mehr noch, dass es möglich war, für den Augenblick zu leben. »Wir haben so unsichere Zeiten erlebt, das kannst du dir gar nicht vorstellen«, sagte sie verächtlich. »Aber wir haben immer Zukunftspläne geschmiedet.«

    Ich sagte mir selbst, dass es mir guttat, dass dies einer der Gründe war, warum ich hergekommen war, weil ich nach einer neuen Perspektive suchte, weil ich sehen wollte, wie mein Leben zusammen mit den Bagels und Heringen in der Küche meiner Tante in Stücke geschnitten wurde. Aber nach und nach stellte ich fest, dass ich hier etwas ganz anderes entdeckte: die Antwort auf die Frage nämlich, warum ich überhaupt in Jerusalem war, welche Abfolge von bewussten und zufälligen Entscheidungen mich hierher gebracht hatte; und ob die Geschichte, vor der ich mich zwanzig Jahre lang versteckt hatte, mir irgendetwas über mein eigenes Dasein verraten konnte.
    Ich saß unter dem rosa-goldenen Bild von den Mauern Jerusalems, blätterte im Familienalbum und betrachtete die Gesichter, in denen ich bald etwas von mir selbst entdeckte, bald etwas von meinem Bruder oder meinem Vater - die blassen, schmalen Lippen, die verdrossenen, schrägen Brauen. Gesichter, die ich zum Teil erkannte, und andere, deren Namen mir selbst Cobby nicht sagen konnte. Sein Gedächtnis war inzwischen verschwommener als sein trüber Blick. Es ließ ihn immer wieder im Stich, wenn er mit seiner zittrigen, von Altersflecken übersäten Hand die Bilder ins Licht hielt. Ich sah, dass meine Tante Miriam in ihrer Jugend eine schöne Frau gewesen war, dass meine Großmutter tapfer, aber erschöpft war; dass Tante Shoshanah die Stirn grundsätzlich in Falten legte und immer ein wenig ins Bild gequetscht wirkte wie ein nachträglicher Einfall.

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