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Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman

Titel: Das Vermächtnis des Shalom Shepher - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamar Yellin
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Lebens.
    So saßen wir zusammen und lauschten den Berichten über Geplänkel an der Grenze und Schüsse im Norden, über die Debatten im Parlament und große Reden in Amerika, über das Wetter in der Wüste, an der Küste und in Galiläa. Aus jedem Fenster ertönten dieselben Berichte, denn jeder Haushalt im Viertel hörte die Abendnachrichten.
    »Sie wollen es mir nicht erzählen. Sie bleiben lieber geheimnisvoll.«
    »Ich bin geheimnisvoll? Für mich sind Sie geheimnisvoll.«
    »Ich bin überhaupt nicht geheimnisvoll. Ich bin vollkommen offen. Ich lungere nicht in Kaftan und Schläfenlocken im Gebüsch herum, beobachte Leute und stelle ihnen Fragen, auf die es keine Antworten gibt …«
    »Ha!«

    »… mache dunkle Andeutungen, fordere Leute heraus …«
    »Habe ich jemanden herausgefordert?«
    »Genau das wüsste ich gern.«
    Wir setzten uns, ich ans eine Ende der Bank, er an das andere, wie zwei Buchstützen. »Na ja«, sagte Gideon, »vielleicht. Vielleicht habe ich das.«
    Der Regen fiel in unregelmäßigen Böen, eine kaum spürbare Feuchtigkeit. Ich schlang die Arme um die Knie. Die Frau mit dem Kinderwagen ging ins Haus.
    Gideon zog ein zerdrücktes Päckchen Time-Zigaretten von irgendwo unter seinem Kaftan hervor. »Macht es Ihnen etwas aus?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Er hielt seine schmale Hand schützend vor ein Streichholz und riss es an. Mit eleganter Konzentration sog er den ersten Zug ein.
    »Ich frage mich oft«, verkündete er, »warum ich hier bin.«
    »Das fragen Sie sich?«
    »Warum nicht? Darf ich mich das nicht fragen?«
    »Na ja …« Ich zuckte die Achseln. »Ich dachte, Sie kennen die Antwort darauf.«
    Er grinste. »Ich meine, ich frage mich, warum ich hier in Jerusalem bin. Warum wurde ich erwählt? Warum bin ich derjenige? Ich bin für so eine Aufgabe gar nicht geeignet.«
    »Und was für eine Aufgabe ist das?«
    »Manchmal glaube ich, es hat so sollen sein. Und manchmal glaube ich, es war einfach Zufall.« Er sah mich von der Seite an. »Ich meine natürlich, dass ich hier in Jerusalem bin. Ich will überhaupt nicht geheimnisvoll sein. Ich bin nur unsicher, wie ich Ihnen etwas über mich erzählen kann.«
    »Fangen Sie doch am Anfang an.«
    »Am Anfang … Der Anfang, heißt es, liegt hinter dem Sambatyon.«

    »Was bedeutet«, übersetzte ich, »sehr, sehr weit weg.«
    »Ja.« Plötzlich lächelte er. »So verstehen Sie diesen Satz. Ein alter Volksglaube. Nur in meinem Fall meine ich das ganz wörtlich.«
    Ich lachte laut los. »Sie sind verrückt.«
    »Wie Sie meinen.« Gideon schwieg einen Moment, und ich tat es ihm verdattert nach. »Sagen Sie«, fragte er schließlich, die Zigarette balancierend, und ordnete mit seinen langen Fingern seinen Kaftan, »kennen Sie eigentlich die Geschichte Ihres Urgroßvaters und seiner Reise zu den zehn verlorenen Stämmen?«
    »Mein Onkel hat sie mir erzählt, ja.«
    »Sie halten sie für eine Legende, eine Gutenachtgeschichte?«
    »Ich halte sie für eine Art Tragikomödie.«
    »Ja. Ich kann mir vorstellen, wie Ihr Onkel sie dazu machen konnte.« Pause. »Haben Sie je darüber nachgedacht«, fuhr er vorsichtig fort, »dass ein wahrer Kern darin stecken könnte?«
    »Nein. Keine Minute.«
    »Sind Sie immer so rational?«
    »Immer. Absolut. Und atheistisch.«
    »Und es gibt keine Löcher in Ihrer rationalen Rüstung?«
    »Nein«, erklärte ich, ein bisschen zu nachdrücklich.
    »Komisch«, sagte Gideon. »Ich hätte Sie für einen spirituellen Menschen gehalten.«
    »Wie kommen Sie denn darauf?«
    »Das sehe ich in Ihren Augen.«
    Unsere Blicke begegneten sich. In dem wechselhaften Licht waren seine Augen meergrün. Ruhe lag in seinem Blick.
    »Na ja«, seufzte er, »dann habe ich mich vielleicht vertan. Jedenfalls habe ich meine Gründe zu glauben, dass die
Geschichte einen wahren Kern hat. Ganz zu schweigen von dem, was im Kolophon steht. Aber die meisten anderen werden natürlich Ihren rationalen Standpunkt einnehmen. Das steht zu erwarten. Und der Kodex - jemand wird ihn kaufen, dem er nicht richtig und rechtmäßig gehört; und dann können wir nur hoffen, dass seine Geheimnisse unentdeckt bleiben.«
    »Was für Geheimnisse?«
    Gideon sah mich aus den Augenwinkeln an. »Ach - Kleinigkeiten. Der wahre Ort des Allerheiligsten. Der Tag des Jüngsten Gerichts, das Ende der Welt.«
    »Ach, das .«
    »Nichts, worum Atheisten sich Gedanken machen müssten. Aber ich kann solcherlei natürlich nicht dem Zufall überlassen. Wir versuchen seit

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